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CSR macht die Welt ein Stück besser

INTERVIEW | Corporate Social Responsibility (CSR) ist die unternehmerische Verantwortung, unter anderem für nachhaltiges Wirtschaften. Die CSR-Expertin Tina Teucher klärt uns auf.

INTERVIEW | Corporate Social Responsibility (CSR) ist die unternehmerische Verantwortung, unter anderem für nachhaltiges Wirtschaften. Die CSR-Expertin Tina Teucher klärt uns auf.

05.05.2021 | Ein Interview geführt von Maleen Focken | Bilder: Sebastian Wittmann, Axel Öland u.a.

 „Innovation ist langweilig, wenn sie die Welt nicht besser macht“, sagt Tina Teucher. Die Kommunikationsexpertin für nachhaltiges Wirtschaften begleitet Organisationen auf ihrem Weg hin zu zukunftsfähigen Geschäftsmodellen, verbreitet als Rednerin und Moderatorin auf Konferenzen gute Ideen und Lösungen für eine zukunftsfähige Wirtschaft und publiziert zu Unternehmensverantwortung. Erfahre von einer Expertin, was Corporate Social Responsibility (CSR) ist und wie die Welt in zehn Jahren aussehen könnte, wenn die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreicht werden.

JOBVERDE: Tina, deine Leidenschaft ist es, nachhaltige Lösungen bekannt zu machen und weiterzuentwickeln. Wie gelingt es dir, deine Werte in deine berufliche Tätigkeit zu integrieren?

Tina Teucher: Alles andere würde mir sehr schwer fallen – und ich beobachte, dass immer mehr Menschen ihre Werte nicht am Werkstor oder der Bürotür abgeben wollen. Viele Firmen nutzen Sinnstiftung inzwischen als wichtiges Argument für ihre Arbeitgebermarke, also im Employer Branding. Denn die Leute wollen mit ihrer Arbeit, ihrer Lebenszeit zu etwas Positivem beitragen, ihren Teil zu einer lebenswerten Zukunft mitgestalten: Kreislauffähige Produkte, soziale Projekte, faire Marktbedingungen zum Beispiel. Deshalb investieren immer mehr Organisationen in die Entwicklung eines „Purpose“. Damit ist ein höherer Zweck gemeint, der über den finanziellen Gewinn und das ökonomische Fortbestehen hinausgeht. Mich tragen und motivieren auch die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen mit uns allen bis 2030 erreichen wollen. Immer mehr Firmen berichten darüber, welchen Beitrag sie zur Erreichung dieser „SDGs“ leisten, z.B. bei der Bekämpfung von Armut, beim Ausbau erneuerbarer Energien oder einem ökologisch tragfähigen Meeresleben. Das SDG-Reporting ist ein wesentlicher Teil vieler unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien.

Tina Teucher Portrait

Du befasst dich mit Nachhaltigkeit, CSR, Sustainability Management und Social Entrepreneurship. Das klingt erstmal alles nach ökologisch und gesellschaftlich verantwortungsvoller Wirtschaft. Könntest du uns CSR von den drei anderen Begrifflichkeiten inhaltlich abgrenzen?

Gar nicht so einfach, weil die Bedeutung dieser Begriffe – wie auch Sprache selbst – einer Evolution unterworfen sind. Ich würde es derzeit am ehesten so erklären:

Nachhaltigkeit ist das Leitbild. Ein unerreichbares, aber angestrebtes Ziel für eine lebenswerte Zukunft, in der ökologische, soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden. Gerechtigkeit für die heute und in künftig lebenden Generationen.

Corporate Social Responsibility (CSR) ist die unternehmerische Verantwortung in ihrem Umfeld. Denn keine Firma agiert im luftleeren Raum, sondern steht – wie ein Bürger – innerhalb des Markts und der Gesellschaft. Ein Teil der Verantwortungsübernahme von Firmen ist es, sich um Nachhaltigkeit und die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit zu kümmern (Sustainability Management). Zu CSR gehören auch Grundsätze nachhaltiger Unternehmensführung (Governance, Compliance) etc., hier verschwimmt die Grenze zum Sustainability Management teilweise.

Sustainability Management beginnt damit, die Interessen, Erwartungen und Einflussstärke der Anspruchsgruppen einer Organisation (Stakeholder) kennenzulernen und einzuordnen. Daraus lassen sich mit einer Wesentlichkeitsanalyse die wichtigsten Themen und Handlungsfelder ableiten. Auf diesen bauen dann entsprechende Ziele, Strategien, Maßnahmen und Monitoring auf, um eine ökologisch, sozial und ökonomisch tragfähiges Geschäft zu steuern.

Social Entrepreneurship bezeichnet jene Art des Unternehmertums, bei dem der Geschäftszweck die Lösung eines gesellschaftlichen Problems darstellt. So hat z.B. Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus seine Grameen Bank gegründet, um Armut ins Museum zu verbannen. Das Finanzinstitut vergibt Kleinstkredite an arme Menschen, damit diese sich ein existenzsicherndes Einkommen mit kleinen Firmen aufbauen können. Ideal wäre natürlich, wenn jedes Unternehmen sich einem solchen gesellschaftlich hilfreichen Zweck verschreibt. Oft versteht man unter Social Entrepreneurship auch, dass Gewinne weitgehend reinvestiert statt ausgeschüttet werden.

Unternehmen, die Greenwashing betreiben, umgehen bewusst CSR. Siehst du es auch als deine Aufgabe, Unternehmen wieder „weiß zu waschen“ oder scheint bei entsprechenden Unternehmen Hopfen und Malz verloren zu sein?

Für sogenanntes „Greenwashing“ gibt es ja verschiedene Gründe. Mal ist eine nachhaltigkeitsbezogene Aussage von der Marketing-Abteilung übertrieben, mal ist sie nicht mit Fakten belegt, mal ist das Unternehmen auf ein falsches Siegel bzw. einen unglaubwürdigen Partner reingefallen. Die ernsteren Fälle des Grünwaschens betreffen die Größe des grünen aufgehängten Betttuchs auf dem Wäscheplatz: Es flattert lustig im Wind und wenn es nur groß genug ist, versperrt es den Blick auf die dunkle Ruine im Hintergrund.

Wenn z.B. ein Unternehmen damit wirbt, mit jedem verkauften Produkt auch einen Baum zu pflanzen, ist das erstmal sehr gut. Man nennt dies „Cause Related Marketing“ – eine Win-win-win-Situation für das unterstützte nachhaltige Projekt (mehr Wirkung), den Kunden (mehr gutes Gewissen / Spaß) und das Unternehmen (mehr Umsatz). Nur wenn das Unternehmen dahinter in seinem Kerngeschäft grundsätzlich unnachhaltig wirtschaftet – also z.B. unökologisch (Greenwashing) oder unsozial (Social Washing), dann gibt es ein Problem mit der duftenden Wäsche im Wind.

Häufig reden die Medien aber schon von Greenwashing, nur weil eine Win-win-win-Situation vorliegt, mit der auch das Unternehmen mehr Geld verdient. Das finde ich falsch. Denn zu Nachhaltigkeit gehört nun mal auch die ökonomische Dimension. Natürlich muss man skeptisch sein und bleiben, aber die grundsätzliche Verteufelung von allem und jedem, der etwas Nachhaltiges versucht, ist besonders im deutschsprachigen Raum verbreitet und sie hat eine extrem abschreckende Wirkung: Viele Firmen unternehmen aus Angst vor Shitstorms lieber gar nichts für Nachhaltigkeit. Und jeder kennt das von sich selber: Lieber niemandem verraten, dass man mal eine Woche versucht vegan zu essen, weil dann sofort einer kommt und den Versuch niederbrüllt: „Du trägst aber noch Lederschuhe!!!“ Mit dieser Zeigefingermentalität verfehlen wir die internationalen Klima- und Nachhaltigkeitsziele.

In jedem Unternehmen arbeiten Menschen. Und unter ihnen gibt es immer welche, die privat nachhaltige Werte vertreten und nur darauf warten, auch im Beruf etwas bewegen zu können. Insofern ist bei keiner Organisation Hopfen und Malz verloren. Außerdem bringt jede neue Mitarbeiterin das Potenzial mit, den Weg zu beeinflussen. Wenn die Wandel-Willigen sich Verbündete suchen und gemeinsam anpacken, geht’s schneller. Renovierung statt grüner Anstrich.

Hand aufs Herz: Lässt sich eine Tendenz erkennen, welche Unternehmensbranche am häufigsten deine CSR-Beratung beansprucht?

Auch das entwickelt sich mit der Zeit. Vor ein paar Jahren waren es noch die „Pioniere“, z.B. im Einzelhandel und aus der Produktion. Inzwischen kommen zunehmend mehr Player aus der Finanzindustrie dazu. Das liegt vor allem daran, dass die Europäische Union mit ihrer Sustainable Finance Initiative hier regulatorisch Druck aufbaut. Ab diesem Jahr im Frühling müssten beispielsweise alle Bankberater*innen ihre Kund*innen zu Nachhaltigkeitsthemen beraten können. Also auch Lieschen Müller, wenn sie zur Sparkasse um die Ecke geht. Inzwischen heißt es, diese Regel gilt wohl erst ab Herbst. Und selbst das halte ich für extrem sportlich, weil noch viele Fragen ungeklärt sind. Es braucht eine breit angelegte Bildungsinitiative, von der Schule bis ins Seniorenheim: Für Geld- und für Nachhaltigkeitsthemen.

CSR basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Hältst du dieses Prinzip für langfristig zielführend bzw. wie stehst du zu gesetzlichen Vorschriften, die soziales Engagement innerhalb der Wirtschaft verpflichtend machen würden?

Gute Fangfrage. Denn viele meiner Kunden würden das anders beantworten. Ich finde, dass es mit der Freiwilligkeit einfach nicht schnell genug geht. Mit Marktteilnehmern und Politikern mag man verhandeln können, mit Wirbelstürmen und Dauerdürren nicht. Jedes Umweltschutz-Gesetz, das wir jetzt nicht verabschieden, müssen wir in ein paar Jahren umso strenger verabschieden und durchsetzen. Wir verlagern das Problem nur auf die Buckel der eigenen Kinder.

Es gibt zwei Hauptargumente, die immer wieder gegen eine Regulatorik hervorgebracht werden:

Erstens: Internationaler Wettbewerb und die Angst um Arbeitsplätze. Wenn wir hier mit Gesetzen einschränkend vorangehen, wandert unsere Industrie in andere Länder ab. Wo bleibt bei diesem Weltbild der Unternehmergeist, wo bleibt die Innovationsfreude? Ich finde, das ließe sich anders lösen, z.B. mit dem Top-Runner-Ansatz. Dabei wird jeweils die aktuell nachhaltigste Lösung am Markt zum nächsten Standard. Was also heute Top-Technologie ist, ist in 3 oder 5 Jahren die Norm. Eine solche Vorgabe fördert Innovationen, schafft neue Arbeitsplätze und stärkt die Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

Zweitens: Der Markt richtet das schon selbst. Das längst veraltete Bild in der Volkswirtschaft, eine „unsichtbare Hand“ würde dazu führen, dass alles gut und gerecht zugeht, war schon von Tag 1 an überholt. Denn der angebliche Vater dieser Idee, Adam Smith, hat es ganz anders gemeint. Der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz brachte es auf den Punkt: “Der Grund, warum die unsichtbare Hand oft unsichtbar erscheint, ist, dass sie oft nicht da ist.“

Daran anknüpfend wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wo siehst bzw. wo möchtest du CSR in 10 Jahren sehen?

Die Sustainable Development Goals (SDGs), die sich die UN für 2030 gesetzt haben, sind zu 99 % erreicht. Hochwertige Bildung, sauberes Wasser, keine Armut, kein Hunger, dafür Frieden, Gleichstellung, Gesundheit, nachhaltige Gemeinden, menschenwürdige Arbeit: CHECK!

Beflügelt von dem Staunen darüber, was sie gemeinsam erreichen konnte, findet die Menschheit weitere Wege, CO2 auf natürliche Weise dauerhaft zu binden und die Klimaerhitzung abzumildern.

Die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021-2030) war ein voller Erfolg. Große neue Waldflächen und überall begrünte Dächer sind auf Satellitenbildern zu erkennen. Über 30 % der Landfläche und über 70 % der Wasserfläche sind Schutzgebiete. Korallenriffe haben sich erholt. Mangrovenwälder filtern Wasser. Im umfassend geschützten Regenwald entdecken Forscherinnen neue wirksame Heilmittel gegen noch bestehende Krankheiten.

CSR-Manager retten sich aus der drohenden Arbeitslosigkeit durch Umschulungen zu Ökosystem-Pflegern, Wohlfühl-Managern, und Kreislauf-Designern. Aber eine Form des bedingungslosen Grundeinkommens für alle sorgt dafür, dass es auch okay wäre, wenn sie nach der ganzen Arbeit erstmal ‘ne Runde chillen.

Du sprichst als selbstständige Frau im wirtschaftlichen Umfeld sicher oft neben, mit und vor Männern. Da wir noch immer in einer Welt leben, in denen Frauen für ihre Rechte kämpfen müssen, möchten wir diesen Aspekt natürlich nicht vernachlässigen. Wie nimmst du die Wirtschaftswelt diesbezüglich wahr? Hast du Tipps für unser weibliches Publikum?

Für Rechte eintreten ist sicher richtig, aber die Assoziationen, die sich um das Wort „kämpfen“ auftun, machen Männer unnötig zum Feindbild. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive sehe ich diesen „Kampf“ als eine Phase, eben der Emanzipation, wie sie ja auch bei Jugendlichen stattfindet, um sich von alten Bildern abzugrenzen. Man möchte dann nicht mehr als das kleine Mädchen oder der kleine Junge wahrgenommen werden, sondern als eigenständiger Mensch. Aber für die Eltern bleibt man doch immer das Kind. Das ist ein Stück unangenehm, aber irgendwann akzeptabel.

Auf meinem Weg habe ich schon viel gelernt – von Männern und von Frauen. Dafür bin ich dankbar und empfinde eine Wertschätzung sowohl für ihre Rolle, dass sie mich gefordert haben, als auch meine Rolle, dass ich daran gewachsen bin. Und ich lerne natürlich immer noch und werde es immer tun. Es ist, glaube ich, hilfreich, die Mentor*innen nach einer gewissen Zeit zu wechseln. Was in einer Lebensphase hilfreich erschien, würde einen in der nächsten Phase auf dem Fleck treten lassen.

Dankbarkeit und Wertschätzung helfen auch, den eigenen Wert zu erkennen und besser, selbstbewusster damit auftreten zu können – sei es bei einer Gehaltsverhandlung, einem Jobinterview, einer Konferenz oder in einem Vier-Augen-Gespräch. Das Gefühl, nicht genug zu sein, kennt jede und jeder. Es weicht aber einem tiefen Vertrauen, wenn man sich immer wieder bewusst macht, was man schon alles kann und erreicht hat – und dass man auch einfach mit dem eigenen Sosein ein Geschenk auf der Erde ist.

 

Vielen herzlichen Dank für das Interview, liebe Tina!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Tina Teucher stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

 

Mehr zu Tina Teucher und ihrem spannenden Berufsfeld findest du übrigens auf ihrer Internetseite: www.tinateucher.com 

 

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Arbeitgeber für grüne Kommunikation und CSR findest du hier.

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