JOBVERDE.de: Herr Janser, Sie arbeiten am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Wie bewerten Sie die Lage grüner und nachhaltiger Jobs?
MARKUS JANSER: Wenn wir im Folgenden über grüne Jobs sprechen, sollten wir uns zuvor kurz die zwei zentralen Gruppen grüner Jobs vergegenwärtigen: Das sind zum einen die Jobs, die in Betrieben mit Produkten und Dienstleistungen im Umweltschutz ausgeübt werden, z.B. die Arbeit als Solarteur bei einer Firma, die Fotovoltaikanlagen installiert. Wir sprechen hier vereinfachend auch von „Jobs im Umweltschutzsektor“. Zum anderen gibt es aber auch Beschäftigte mit Umweltschutzaufgaben in Betrieben ohne dedizierte Umweltschutzprodukte und –dienstleistungen, z.B. als Klimaschutzmanager in einer konventionellen Papierfabrik. Diese Jobs sind “Green Jobs außerhalb des Umweltschutzsektors”. Beide Formen zusammen stellen im Sinne der gängigen Definition “Green Jobs” dar.
Über grüne Jobs in Deutschland gibt es noch relativ wenige repräsentative Studien. Am besten abgebildet sind noch die Jobs im Umweltschutzsektor. Eine Studie des Umweltbundesamtes spricht von ca. 2 Millionen Beschäftigen im Umweltschutzsektor. Für die “Green Jobs außerhalb des Umweltschutzsektors” gibt es meines Wissens noch keine Zahlen.
Im IAB haben wir zur näheren Analyse der Beschäftigungsentwicklung im Umweltschutzsektor eine repräsentativen Befragung von rund 15.500 Betrieben aus dem Jahr 2012 genutzt, in der die Umweltschutzbetriebe durch Sonderfragen eindeutig identifizieren werden können. Das Ergebnis unserer Analysen zeigt, dass der Umweltschutzsektor durch ein überproportionales Beschäftigungswachstum gekennzeichnet ist. Dabei fällt auf, dass insbesondere das Innovationsverhalten sowie die räumliche Nähe zu Betrieben der gleichen Branche das Beschäftigungswachstum in Umweltschutzbetrieben fördern. Betriebe ohne Umweltprodukte oder -dienstleistungen weisen dagegen ein geringeres Beschäftigungswachstum auf, selbst wenn es sich um innovative Betriebe handelt.
Zu den “Green Jobs außerhalb des Umweltschutzsektors” gibt es bislang noch keine Zahlen für Deutschland. Um eine Gesamteinschätzung zu den Green Jobs abgeben zu können, wäre es jedoch notwendig noch weitere Informationen für diesen Bereich zu berücksichtigen. Daher haben wir gerade ein neues Projekt gestartet, in dem wir das “Greening of Jobs” untersuchen. Unsere These dabei ist, dass der Großteil der grünen Transformation des Arbeitsmarktes innerhalb der bestehenden Berufe stattfindet. Dies lässt sich mit Greening of Jobs beschreiben, der Durchdringung der beruflichen Anforderungs- und Kompetenzprofile mit Aspekten der Nachhaltigkeit. Eine zentrale Rolle spielen hier die Energie- und Ressourceneffizienz.
Würden Sie sagen, dass die grünen Branchen und deren Jobs in Deutschland eine echte Relevanz für den Arbeitsmarkt haben?
Ich denke ja, denn allein im Umweltschutzsektor waren laut einer Studie des Umweltbundesamtes 2010 ca. zwei Millionen Menschen beschäftigt, das entspricht laut den Autoren 4,8 % aller Erwerbstätigen. Bereits dies ist aus meiner Sicht eine relevante Größe. Hinzu kommen dann auch noch die Grünen Jobs außerhalb des Umweltschutzsektors, zu denen mir bislang noch keine konkreten Zahlen vorliegen.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt der Grünen Jobs in den letzten fünf Jahren entwickelt?
Für die Beschäftigungsentwicklung im Umweltschutzsektor liegen uns Zahlen von 2009 bis 2012 vor. In diesem Zeitraum beobachten wir eine positive Beschäftigungsentwicklung:
Insgesamt ist das Beschäftigungswachstum des Umweltschutzsektors etwas höher (4,7 Prozent) als der Durchschnitt der Gesamtwirtschaft (4,2 Prozent). Innerhalb des Umweltschutzsektors sind ausgeprägte Unterschiede zwischen den einzelnen Untergruppen sichtbar. Das Teilgebiet der Umweltsanierung und Bodenschutz zeigt den höchsten Wert (16,8 Prozent), während Abfallentsorgung und Recycling den niedrigsten Wert (0,6 Prozent) hat. Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz – der Teilbereich mit dem größten Anteil der Beschäftigung – stieg um 6,2 Prozent.
Werden und müssen manche grünen Branchen vom Staat subventioniert werden, damit sie sich entwickeln und etablieren können? Welche wirtschaftlichen und politischen Anpassungen müssen vorgenommen werden, damit beispielsweise die E-Mobilität an Fahrt gewinnt und die Branche zum Job-Motor wird?
Dies ist eine schwierige Frage, die ich leider nicht pauschal beantworten kann und auch aus meiner Forschungstätigkeit keine Rückschlüsse ziehen kann.
Aus meiner persönlichen Sicht können temporäre staatliche Subventionen in bestimmten Fällen sinnvoll sein. Diese Entscheidung sollte jedoch sehr bedacht und abhängig vom Einsatzfeld, der umwelt- und industriepolitischen Priorität, dem Reifegrad der betreffenden Technologie, dem Innovationsmuster der jeweiligen Branche und der Verfügbarkeit alternativer Anreizmodelle entschieden werden. E-Mobilität ist ein Beispiel für ein Technologiefeld, das meiner Meinung nach geeignet für eine temporäre staatliche Subventionierung wäre (z.B. Zuschuss für den Neukauf von Elektrofahrzeugen).
Welche Branchen innerhalb der Green Economy werden sich in den nächsten Jahren so entwickeln, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden können?
Aus unseren Studien wissen wir, dass die Betriebe mit überdurchschnittlich hoher Innovationstätigkeit das höchste Beschäftigungswachstum haben. 2011 haben alle Teilgruppen des Umweltschutzsektors einen höheren Anteil innovativer Betriebe gehabt als die Gesamtwirtschaft (31,2 Prozent). Allerdings gibt es zwischen diesen Teilgruppen auch noch große Unterschiede. Die Anteile innovativer Betriebe reichen dabei von 32,2 Prozent bis 58,5 Prozent. Der Teilbereich mit der größten Zahl an Beschäftigten – Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz – hatte beispielsweise einen Anteil innovativer Betriebe von 44,7 Prozent. Falls sich dieser Trend fortsetzt, besteht eine gute Chance, dass sich die Beschäftigung in innovativen Umweltschutzbetrieben auch künftig positiv entwickeln wird.
Wie hoch ist das Lohn-Niveau in grünen Branchen?
Für die Untersuchung der Lohnentwicklung haben wir mit den Daten der Bundesagentur für Arbeit gearbeitet. Die sechs Branchen mit den meisten EE-Betrieben und -Beschäftigten sind verarbeitendes Gewerbe, Energieversorgung, Baugewerbe, Handel, Verkehr sowie die Erbringung von freiberuflichen wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen. Innerhalb dieser Branchen konzentrierten wir uns exemplarisch auf die vier Wirtschaftszweige Herstellung von elektronischen Bauelementen und Leiterplatten, Elektrizitätsversorgung, Bauinstallation sowie Architektur- und Ingenieurbüros. Als wir uns die Löhne der EE-Betriebe aus diesen vier Wirtschaftszweigen genauer angesehen haben, konnten wir sehen, dass diese im Durchschnitt Löhne zahlen, die um rund ein Drittel höher sind als in anderen Betrieben. Ausnahme sind Elektrizitätsversorger, bei denen EE-Betriebe mit drei Prozent geringfügig unter dem Lohnniveau von Vergleichsbetrieben liegen.
Die Lohndifferenzen erklären sich zu einem erheblichen Teil durch die Unterschiede in den Betriebsmerkmalen. Beispielsweise haben EE-Betriebe im Durchschnitt mehr und höher qualifiziertes Personal sowie eine höhere Beschäftigungszahl. Darüber hinaus gehören sie zu Branchen, die tendenziell höhere Löhne zahlen. Die EE-Betriebe haben bislang einen höheren Anteil männlicher Beschäftigter und verfügen über eine andere berufliche Zusammensetzung (z. B. mehr technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Berufe). Auch die beiden letztgenannten Merkmale gehen einher mit einem höheren Lohnniveau. Lohnsenkend wirkt hingegen, dass EE-Betriebe meist eine jüngere Belegschaft haben und häufiger in Regionen mit niedrigem Lohnniveau angesiedelt sind.
Auch nach Berücksichtigung der genannten Charakteristika bleibt im Durchschnitt ein positiver Lohneffekt bei den EE-Betrieben. Wir interpretieren diesen Aufschlag als „Erneuerbare-Energien-Lohnprämie“. Es zeigt sich allerdings, dass dabei starke branchenspezifische Einflüsse von Bedeutung sind.
Die Lohnunterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen sind deutlich: Unter anderem bei EE-Betrieben in der Bauinstallationsbranche sowie in Architektur- und Ingenieurbüros verbleibt eine Lohndifferenz von mehr als zehn Prozent.
Ihr Ausblick auf den Arbeitsmarkt insgesamt für das Jahr 2016?
Meine Kolleginnen und Kollegen der Forschungsbereiche “Prognosen und Strukturanalysen” sowie “Arbeitsmarktprozesse und Institutionen” haben im IAB-Kurbericht 15/2015 (erschienen im September 2015) den Ausblick auf 2016 folgendermaßen beschrieben:
“Die Wirtschaft in Deutschland setzt ihren moderaten Aufschwung fort. Für 2016 erwarten wir ebenso wie im laufenden Jahr ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent. Während die Arbeitslosigkeit 2015 um 100.000 Personen sinkt, rechnen wir für 2016 mit einem Anstieg um 70.000 Personen. Dabei spielt die Flüchtlingszuwanderung eine Rolle, deren Effekte momentan jedoch schwer abschätzbar sind. Nach einem etwas schwächeren Zuwachs der Erwerbstätigkeit von 200.000 Personen im Jahr 2015 wird für das nächste Jahr ein Plus von 250.000 prognostiziert. … Weil die Zuwanderung den negativen demografischen Effekt mehr als kompensiert, wächst das Erwerbspersonenpotenzial 2015 um 100.000 und 2016 um 330.000 Personen. …”.
ZUR PERSON:
Markus Janser - Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit
www.iab.de
Forschungsbereich B2 „Regionale Arbeitsmärkte“
Festnetz: (0911) 179-5816
E-Mail: markus.janser@iab.de
Weddigenstraße 20-22, 90478 Nürnberg