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Verpflichtung der Arbeitszeiterfassung durch den EuGH - Ein Interview mit Rechtsanwalt Martin Bechert

INTERVIEW | Im Interview erklärt Rechtsanwalt Martin Bechert die rechtlichen Grundlagen zur Verpflichtung der Arbeitszeiterfassung durch den EuGH.

INTERVIEW | Im Interview erklärt Rechtsanwalt Martin Bechert die rechtlichen Grundlagen zur Verpflichtung der Arbeitszeiterfassung durch den EuGH.

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27.05.2019 | Ein Interview geführt von Ella Poppensieker | Bild: Michael Bader

JOBVERDE: Arbeitgeber müssen nach einem Urteil des EuGH sämtliche Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter erfassen. Was bedeutet dieses Urteil für die Arbeitnehmer und für die Arbeitgeber?

MARTIN BECHERT (Rechtsanwalt): Nach der Entscheidung des EuGH müssen Arbeitgeber die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter aufzeichnen. Das Gericht hat diese Verpflichtung aus den europäischen Grundrechten abgeleitet. Diese Grundrechte gelten in ganz Europa, also auch in Deutschland.

Welche Rechtslage bestand bisher zu diesem Thema? Vor der Entscheidung des EuGH wurde davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber mit der Aufzeichnungspflicht in § 16 ArbZG seiner Pflicht zur Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie nachgekommen ist. Ein Verstoß gegen das Grundrecht wurde nicht gesehen.  

Warum kommt das Thema jetzt überhaupt wieder auf den Tisch? Herrscht hier wirklich Reformbedarf? Die Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist in vielen Betrieben derzeit praktisch unmöglich. Das deutsche Arbeitszeitgesetz sieht eine Aufzeichnung nur dann vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschritten wird.  Von Arbeitgeberseite wird die Ansicht vertreten, dass eine Aufzeichnung bei einer 5 Tage-Woche nach deutschem Recht gar erst bei Überschreitung einer täglichen Arbeitszeit von 9,6 Stunden verpflichtend wäre. Zudem wird die Pflicht zur Aufzeichnung vom Arbeitgeber zum Teil auf die Arbeitnehmer übertragen oder bei der Vertrauensarbeitszeit gar nicht erfasst.

Welche Rechte und Pflichten hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber damals, als es noch die Stechuhren gab? Soweit eine Stechuhr oder andere Zeiterfassungssysteme im Betrieb angewendet werden, kann der Arbeitnehmer verpflichtet werden, diese zu nutzen. Sofern im Betrieb ein Betriebsrat besteht, bestimmt dieser über die Verwendung mit. Viele Arbeitnehmer begrüßen die Einführung von Zeiterfassungssystemen. Dies auch deshalb, weil die tatsächliche Arbeitszeit damit festgestellt wird und die geleisteten Überstunden  bezahlt werden können.

Welche Systeme zur Arbeitszeiterfassung könnten zukünftig praktikabel sein? Die technischen Möglichkeiten sind vielfältig. Von der klassischen stationären Zeiterfassung am Betriebseingang bis hin zur App auf dem Smartphone. Die technische Umsetzung ist das geringste Problem; dass dabei der Datenschutz gewährleistet sein muss ist eine Selbstverständlichkeit.

Es gibt bereits den ersten Koalitionsstreit um das EuGH-Urteil. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat da einiges dagegen. Viel heiße Luft um nichts am Ende? Ich sage voraus: Soweit die Politik auf europäischer Ebene nicht gegensteuert, wird die Aufzeichnungspflicht kommen. Die deutsche Politik wie auch die deutschen Gerichte sehe ich in der Umsetzungspflicht. Artikel 31 Abs. 1 der EU Grundrechtscharta bindet ihnen die Hände. Die deutliche Positionierung des Bundeswirtschaftsministers Altmaier ist wohl mehr seinem Amt und vielleicht auch der bevorstehenden Europawahl zuzuschreiben. Auch der Bundeswirtschaftsminister wird um seine sehr beschränkten Handlungsmöglichkeiten auf deutscher Ebene wissen.

Martin Bechert ist Anwalt für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Bechert Rechtsanwälte.



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