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Der DWV erklärt wie Klimaschutz gelingen kann

INTERVIEW | Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband setzt sich für Wasserstoff als zentralen Energieträger ein. Herr Kasten erklärt die Vision und Ambitionen des DWV.

INTERVIEW | Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband setzt sich für Wasserstoff als zentralen Energieträger ein. Herr Kasten erklärt die Vision und Ambitionen des DWV.

30.03.2022 | Ein Interview geführt von Mara Häuser | Bild: Thorsten Kasten


Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband setzt sich mit seinem Engagement für die Etablierung von Wasserstoff auf dem Energiemarkt ein. Was Wasserstoff genau ist und welche Vorteile er mit sich bringt, erfährst du in diesem Interview. Außerdem erläutert der Vorstand Thorsten Kasten, warum wir zukünftig nicht auf Wasserstoff verzichten sollten, wie wir die Klimaziele der Bundesregierung erreichen können und was dich bei einer Mitgliedschaft beim DWV erwartet.

JOBVERDE: Welche Vorteile bietet Wasserstoff?

Thorsten Kasten: Die Gasmoleküle des Wasserstoffes bringen viele positive Eigenschaften mit sich. Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was Wasserstoff nicht ist: explosiv, brandfördernd giftig, radioaktiv, ätzend oder krebserregend.

Wasserstoff kann sowohl als stoffliches Ausgangsmaterial, beispielsweise als Rohstoff in der Chemieindustrie, sowie als Energieträger genutzt werden. Heute tritt die Rolle des Wasserstoffs als Energieträger des 21. Jahrhunderts immer mehr in den Vordergrund. Insbesondere grüner Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, bildet eine stabile Grundlage für die Energiewirtschaft der Zukunft und trägt zum Erreichen der Klimaziele 2045 bei. Grüner Wasserstoff wird ebenfalls zum Schlüssel für die systemübergreifende klimaneutrale Integration aller Energiesektoren – die Sektorenkopplung. Dadurch ermöglicht er den Aufbau eines emissionsfreien, versorgungssicheren und wirtschaftlichen Energiesystems. Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nur mit hohem technischem oder finanziellem Aufwand bzw. nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.

In welchen Bereichen kann der (grüne) Wasserstoff bei der Energiewende eingesetzt werden?

In einer integrierten Energiewelt ermöglicht Wasserstoff die Speicherbarkeit fluktuierender, überschüssiger erneuerbarer Energien – und das weltweit. Durch die Produktion von Wasserstoff zu Zeiten von Lastspitzen in der Erzeugung erneuerbaren Stroms und der anschließenden Speicherung des Gases kann die Volatilität von erneuerbaren Energien im Energiesystem ausgeglichen werden. Weiterhin können Moleküle im Vergleich zu Elektronen auch global importiert und exportiert werden. Die weiteren H2-Anwendungsfelder reichen von der Produktion alternativer klimaneutraler Kraftstoffe (PtX) zur CO2-freien Nutzung von Bestandstechnologien über die Anwendung von grünem Wasserstoff in der klimaneutralen Stahlproduktion und Wärme bis hin zur Mobilität ohne Emissionen.

Immer wieder hört man von grünem, blauem oder grauem Wasserstoff. Was bedeuten die Farben?

Wasserstoff ist auf der Erde in praktisch unbegrenzten Mengen vorhanden. Die H2-Moleküle kommen allerdings fast kaum als natürlicher Rohstoff vor. Sie sind in chemischen Verbindungen (Wasser, Säuren, Kohlenwasserstoffen) gebunden. Obwohl Wasserstoff bei Raumtemperatur ein farbloses Gas ist, ist es je nach Art der Produktion und Herstellungsverfahren nach Farben klassifiziert. Die Herstellungsverfahren umfassen unterschiedliche Formen der Elektrolyse, die Dampfreformierung und die Methanpyrolyse.

Grüner Wasserstoff wird durch die Elektrolyse von Wasser durch den Einsatz von 100 Prozent erneuerbaren Energien hergestellt. Unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion hierbei komplett CO2-frei. Dadurch ist grüner Wasserstoff nachhaltig und klimaneutral und der Wasserstoff der Zukunft.

Grauer Wasserstoff wird durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen. Seine Erzeugung ist mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden. Als blauer Wasserstoff wird Wasserstoff bezeichnet, dessen Erzeugung mit einem CO2-Abscheidungs- und -Speicherungsverfahren gekoppelt wird (Carbon Capture and Storage, CCS). Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.

Welche Aufgaben kommen dem DWV in seiner Tätigkeit als Wirtschaftsverband zu?

Der DWV setzt sich seit 1996 für eine nachhaltige Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie ein. Mit unserer langjährigen Erfahrung und Kompetenz haben wir ein starkes Netzwerk von Mitgliedern entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Wasserstoff-Marktwirtschaft auf- und ausgebaut. Wir sind die gebündelte und starke Stimme unserer über 400 persönlichen Mitglieder und über 150 Mitgliedsinstitutionen und -unternehmen. Der Verband repräsentiert somit einen bedeutenden Teil der deutschen Wirtschaft.  Der DWV hat ein gesamtsystemisches Verständnis der Industrie und der erneuerbaren Energiewirtschaft und gestaltet kompetent die regulatorischen Rahmenbedingungen für ein versorgungsicheres, ökologisches und ökonomisches Energiesystem 2045.

Zu unseren Aufgaben zählt insbesondere die politische Kommunikation, also die Interessenvertretung gegenüber der Politik. Hier bündeln wir die Kompetenzen und die Expertise unserer Mitglieder und Stakeholder. Wir bringen die verschiedenen Akteure aus Wissenschaft und Forschung, aus der Wirtschaft und Industrie zusammen und erarbeiten in Fachkommissionen gemeinsame Forderungen in Richtung Politik. Wir fördern den vertrauensvollen Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft und vertreten so erfolgreich und verlässlich die Interessen unserer Branche in Deutschland und der EU.

Was ist das Ziel des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands (DWV)?

Der Verband hat das Ziel, die Einführung von Wasserstoff als zentralem Energieträger zu fördern sowie eine Wasserstoff-Marktwirtschaft als Bestandteil einer nachhaltigen integrierten und versorgungssichereren Energieversorgung aufzubauen. Der DWV handelt unter der Prämisse, unserer Gesellschaft und unseren Nachfahren eine lebenswerte und sozial-gerechte Welt bieten zu können. Der DWV steht daher für den Schutz von Natur und Umwelt, der Schonung von Ressourcen und den Klimaschutz ein.

Für die nachhaltige Produktion von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten (Power-to-X-Produkten) fordern wir den lokalen und globalen Ausbau von erneuerbaren Energien, insbesondere Windkraft- und Solaranlagen. Als zentraler Energieträger ist Wasserstoff effizient zu transportieren und über längere Zeiträume speicherbar. Wir fordern daher den Auf- und Ausbau der Pipeline- und Speicherinfrastruktur, um Wasserstoff als gasförmigen Energieträger verfügbar zu machen. 

Die Vereinbarkeit von Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit hat für den DWV oberste Priorität. Ziel der Einführung von Wasserstoff als zentraler Energieträger ist die Defossilisierung der Energiewirtschaft über alle Sektoren hinweg: nur mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff in Anwendungen in der Mobilität, Industrie und Chemie sowie in der Wärmeversorgung gelingt die erfolgreiche Sektorenkopplung.  

Was bringt eine Mitgliedschaft im DWV?

Alle Mitglieder im DWV erhalten umfangreiche Informationen zu allen wirtschaftlichen und regulatorischen Vorgängen der Wasserstoffbranche. Über unsere Mitgliederzeitschrift, unsere Newsletter und unsere Pressemeldungen bleiben die DWV-Mitglieder immer auf dem aktuellen Kenntnisstand. Zudem können die juristischen Mitglieder von weiteren Vorteilen profitieren: Die Interessen der Unternehmen und Institutionen werden von uns bei den entscheidenden politischen Personen und Prozessen auf nationaler sowie europäischer Ebene vertreten. Des Weiteren haben unsere Mitglieder die Chance, auf unseren Veranstaltungen selbst direkt in Kontakt mit den jeweiligen Entscheidungsträgern zu treten. Zudem beantworten wir fachliche Fragestellungen und helfen bei Problemen und Hürden mit unserer übersektoralen Expertise und unserem Netzwerk. Die Interessen und das Know-how der juristischen Mitglieder können frühzeitig und direkt in Prozesse und Konzeptentwicklungen in unseren vielseitigen und themenspezifischen Fachkommissionen in die Implementierung einer grünen Wasserstoff-Marktwirtschaft eingebracht werden.

Wie beurteilen Sie aus Expertensicht die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung?

Zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft herrscht derzeit Einigkeit, dass Wasserstoff eine zentrale Rolle als Energieträger des 21. Jahrhunderts einnehmen wird. Bereits seit 2018 hat der DWV die Bundesregierung aufgefordert, die Chancen der Wasserstoff-Marktwirtschaft zu erkennen und eine industriepolitische Strategie für deren Implementierung zu entwickeln. 2020 fanden unsere Forderungen Gehör und der DWV konnte die Ausgestaltung der NWS mit seiner Fachexpertise intensiv unterstützen. Der DWV begrüßte mit Nachdruck die Verabschiedung der NWS am 10.06.2020 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Deutschland wird dank der 38 Maßnahmen der NWS eine globale Vorreiterrolle als Wasserstoff-Marktwirtschaft einnehmen können.

Die Förderung mit über 9 Mrd. EUR für den Markthochlauf einer Wasserstoffwirtschaft war ein gutes und wichtiges Signal an die Industrie. Den aktuellen Wasserstoffbedarf in Deutschland bezifferte die Bundesregierung auf rund 55 TWh pro Jahr. Für das Jahr 2030 geht sie von einer deutlichen Erhöhung des jährlichen Wasserstoffbedarfs auf 90 bis 110 TWh aus. Ein Teil dieses Bedarfs soll durch erneuerbare Wasserstofferzeugung in Deutschland gedeckt werden, was mit der Installation von Elektrolyseanlagen gewährleistet werden soll. Aus Sicht des DWV ist es nun zwingend geboten, das Tempo bei der Umsetzung der Maßnahmen der NWS deutlich zu erhöhen. Wünschenswert wäre daher eine noch stärkere Fokussierung auf die zeitnahe Ausgestaltung geeigneter regulatorischer Rahmenbedingungen, um einen marktwirtschaftlichen Hochlauf der Wasserstoff-Marktwirtschaft im Umfang von mindestens 20 Gigawatt bis 2030 zu gewährleisten. Nur so kann die Bundesregierung einen langfristigen investitionssicheren Rahmen für die einzelnen Akteure absichern und gleichzeitig 35.000 bis 70.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Eine fortlaufende Weiterentwicklung der bisherigen NWS ist in jedem Fall notwendig, sollte jedoch nicht durch einen erneuten langwierigen Findungsprozess ausgebremst werden. Der DWV steht hierfür auch aktuell als Mittler und Ratgeber den politischen Entscheidern und der Industrie zur Verfügung.

Wie stehen Sie zum Förderprojekt H2-Global – können Wasserstoff-Importe die Lösung sein?

Deutschland wird auch in Zukunft einen großen Teil seiner Energie importieren, da der Bedarf an erneuerbarem Strom allein mit heimischer Produktion nicht zu decken ist. Daraus resultiert, dass Deutschland auch den Bedarf an grünem Wasserstoff nicht allein durch heimische Elektrolyse decken kann. Deutschland wird zukünftig erhebliche Mengen an erneuerbaren Energien in der Form von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten importieren müssen. Grüner Wasserstoff hat dabei das Potenzial dem Überfluss von Landfläche, Sonne und Wind in bestimmten Regionen der Welt einen wirtschaftlichen globalen Handelswert zu geben.

Um einen möglichst zügigen Import von Wasserstoff zu ermöglichen, hat der DWV gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), das H2Global-Konzept entwickelt. In Abstimmung mit Vertretern der deutschen Industrie, Banken und Instituten wurde das Förderinstrument H2Global in einer Fachkommission Anfang 2021 finalisiert. Ende desselben Jahres hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 900 Mio. Euro staatliche Beihilfen für das Projekt bewilligt.

Über das innovative Förderinstrument und die Förderung durch den Bund ist es möglich gemeinsam mit der Wirtschaft Wege aufzuzeigen, wie grüner Wasserstoff in Partnerländern wettbewerbsfähig und gleichzeitig nachhaltige produziert und exportiert werden können. Das Instrument fördert den Aufbau von Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff in Nicht-EU-Ländern und den Wasserstoffimport in die EU und Deutschland. Mit Lieferungen der Wasserstoffprodukte ist ab 2024 zu rechnen. Der DWV ist durch den Vorstandsvorsitzenden Werner Diwald im Kuratorium der H2Global Stiftung vertreten und wird damit auch zukünftig seine Expertise in die Umsetzung einbringen. 

Vor dem Hintergrund des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine ist die Diversifizierung der Importe stark in den Fokus gerückt. Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit sind die Schlagworte der Debatten. Umso wichtiger ist es, verlässliche Partner in Europa zu finden, aber auch die Erzeug in Deutschland muss weiter vorangetrieben werden.

Welche Wünsche haben Sie an die Zukunft des Wasserstoffs?

Wir haben eine Vision! Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: „2045 - Die Welt des Wasserstoffes“. Die Klimaziele sind erreicht. Deutschland und die EU haben die Transformation zu einer klimaneutralen Marktwirtschaft erfolgreich umgesetzt. Die gelungene Transformation spiegelt sich in Wohlstand und einem sozial-gerechten Aufbau der Wirtschaft wider: Eine sozial-ökologische Marktwirtschaft mit grünem Wasserstoff als zentralem Energieträger wurde gemeinsam von Stakeholdern entlang der gesamten Wertschöpfungskette geschaffen. Die Energiewirtschaft in Deutschland und der EU ist wirtschaftlich, versorgungssicher und nachhaltig gestaltet und kann als defossilisiert bezeichnet werden. 

Die Wasserstoff-Marktwirtschaft ist etabliert. Grüner Wasserstoff ist der zentrale globale Energieträger über alle Anwendungsbereiche hinweg. Die Sektorenkopplung ist durch den Einsatz von H2-Molekülen erfolgreich umgesetzt. In Deutschland und der EU arbeitet die politische Führung an einer proaktiven Gestaltung und Weiterentwicklung einer Wasserstoff-Marktwirtschaft, basierend auf gesamtsystemischen wissenschaftlichen Erkenntnissen.  Unser Team arbeitet jeden Tag daran, diese Vision und diese Welt in 2045 Realität werden zu lassen.

Vielen herzlichen Dank für das Interview, lieber Herr Kasten!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an den DWV stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Ein Interview, wie der Arbeitsmarkt fairer und transparenter gestaltet werden kann, findest du hier.

Schau dir den Beitrag an, wie du mit einem nachhaltigen Arbeitsumfeld punkten kannst.

 

 



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