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Als Dokumentarfilmer gegen Krieg, Umweltzerstörung und Ungerechtigkeit

INTERVIEW | Für Nachhaltigkeit lässt sich auch hinter der Kamera und mit Dokumentarfilmen kämpfen.

INTERVIEW | Für Nachhaltigkeit lässt sich auch hinter der Kamera und mit Dokumentarfilmen kämpfen.

14.12.2021 | Ein Interview geführt von Laura Hofschlag | Bilder: Unsplash, fechnerMEDIA, WOTS3D

Seit mehr als 30 Jahren kämpft der Dokumentarfilmer Carl-A. Fechner für Frieden und den Erhalt unseres Planeten. Wir haben ihn zum Interview gebeten und mit ihm über seinen Werdegang und seine eigene (nachhaltige) Filmproduktion gesprochen. Außerdem erzählt er, was den Beruf des Dokumentarfilmers ausmacht und was die neue Dokumentation Wonders of the Sea von dem Netflix-Hit Seaspiracy unterscheidet.

Aufgepasst: Im Interview verstecken sich konkrete Stellenangebote im Bereich der nachhaltigen Filmbranche – sei gespannt.

JOBVERDE: Herr Fechner, erzählen Sie zu Beginn gerne etwas über Ihren Werdegang.

Carl-A. Fechner: Sehr gerne! Fangen wir mal von Vorn an: Ich hatte eine äußerst behütete Kindheit in einem recht konservativen Elternhaus. Werte wie Disziplin, Verantwortungsbewusstsein und Gehorsam spielten in meiner Erziehung eine wichtige Rolle. So war es keine Überraschung, dass ich 14 Jahre beim Militär war und damit in die Fußstapfen meines Vaters getreten bin, der Soldat war. Während der Zeit bei der Bundeswehr studierte ich Medienpädagogik – die erste Berührung mit dem Film. In den 70ern kam es dann zu einem großen Bruch: Als junger Erwachsener bereiste ich in meinem VW-Bus die Welt und entdeckte neue, alternative Lebensstile für mich. Freiheit, Widerstand, Emanzipation und Demokratiebewusstsein waren Themen, die mich bewegten und begeisterten. Passend zum Stichwort „Freiheit“ erwarb ich in dieser Zeit übrigens auch den Flugschein und flog wochenlang mit Freunden durch Amerika. Diese neu erlebte Unabhängigkeit, zusammen mit einem starken politischen Willen und Kampfgeist führten mich dann schließlich zum Filmemachen.

Seit mehr als 30 Jahren kämpfen Sie dafür, die „wunderschöne Welt zu erhalten“. Woher nehmen Sie Ihre Motivation?

Als die Bundesregierung 1983 beschloss, als Antwort auf russische SS 20-Raketen amerikanische Mittelstrecken-Atomraketen in Deutschland zu installieren - Stichwort Pershing II- empfand ich das, wie Millionen von Menschen auch, als riesige Bedrohung. Parallel, am 10. August 1983, wurde meine Tochter Amelie geboren, ein magischer Moment für mich. Da wusste ich, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun muss, damit Amelie ein Leben in Frieden auf diesem wunderschönen Planeten führen kann.

Wie hat es Sie in die Filmbranche verschlagen?

Schon der Entschluss, zur Armee zu gehen, geschah aus der Überzeugung, so zur Erhaltung des Friedens beitragen zu können. Es schien mir eine Notwendigkeit im Angesicht des Kalten Krieges, für den Frieden zu kämpfen. Erst später wurde mir bewusst, dass Waffen und Frieden nicht zusammenpassten. Inspiriert von meinem Studium der Medienpädagogik entdeckte ich das enorme Wirkungspotential von Film und beschloss, dass dies von nun an das Mittel meiner Wahl zum Widerstand gegen Krieg, Umweltzerstörung und Ungerechtigkeit sein sollte. Zunächst als Autor und Regisseur für Auftragsproduktionen für den WDR und andere Sender und schließlich als Filmproduzent und -regisseur in meinem eigenen Unternehmen fechnerMEDIA. Ich bin davon überzeugt, dass Dokumentarfilme die Kraft haben, Menschen aus ihrem Zustand der gleichgültigen Trägheit wachzurütteln. Deswegen bin ich Dokumentarfilmer geworden: Um Menschen dazu zu bringen, mit wachem Blick dahinzuschauen, wo schon viel zu lange weggeschaut wurde. Die Gier nach Macht, Gewinn, Zerstreuung und Konsum führt uns an die Grenzen der planetaren Ressourcen und in einen dystopischen Zustand der Teilnahmelosigkeit. Eine nachhaltigere und gerechtere Welt ist möglich, wenn wir als Gestalter aktiv werden!

Was macht den Beruf eines Dokumentarfilmers aus?

Zunächst einmal: Viele spannende Begegnungen mit Menschen, die das, was sie tun, mit Leidenschaft tun - sei es vor oder hinter der Kamera. Außerdem – zumindest in meinem Fall – Reisen! Meine Crew und ich durften für Aufnahmen bereits über 70 Länder bereisen. Die Dreharbeiten sind für mich immer eine ganz besondere Zeit mit einer hohen Dichte an Konzentration, Abenteuer, Lachen und spontanen Ereignissen. Was auch dazu gehört, let’s be honest, sind lange Arbeitstage, vor allem während der Dreharbeiten. Die sind es aber allemal wert, wenn der Film schließlich im Kino läuft und Menschenmassen begeistert und inspiriert!

Welche Charakteristika sind von Bedeutung?

Dokumentarfilmer sind extrem neugierige Menschen. Menschen, die wahnsinnig viel Freude daraus schöpfen können, andere Menschen oder auch die Natur ganz genau zu beobachten. Außerdem sind wir natürlich Geschichtenerzähler. Selbst wenn das Thema einer Dokumentation an sich schon packend ist, braucht es auch ein Narrativ, eine Perspektive und einen gewissen Spannungsgrad. Diese Spannung in den Dingen zu identifizieren und einzufangen, das ist das besondere Talent des Dokumentarfilmers. Da einem in dieser Branche nichts geschenkt wird, braucht man darüber hinaus auch eine ordentliche Portion Resilienz. Jede Phase der Filmproduktion, von der Pre-Production bis zur Premiere, fordert enorm viel Ausdauer, Kreativität und vor allem einen starken Willen. Oder besser gesagt: Kampfgeist. Ohne den bringt man die Energie nicht auf, die ein Dokumentarfilm erfordert. Und zu guter Letzt: Teamspirit! Jeder Film ist Teamwork, deswegen sind eine ausgeprägte soziale Ader und emotionale Intelligenz in diesem Beruf essentiell.

Dokumentarfilmer sind extrem neugierige Menschen.“ (Carl-A. Fechner, Bild: fechnerMEDIA)

1989 haben Sie fechnerMEDIA gegründet. Was zeichnet fechnerMEDIA aus?

Was fechnerMEDIA von anderen Filmproduktionen unterscheidet, ist, dass wir nicht einfach Filme über Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit produzieren, sondern dass wir diese Filme als unseren Beitrag zum sozial ökologischen Gesellschaftswandel betrachten. Davon zeugen die globalen Eventkampagnen, welche unsere Kinodokumentationen begleiten. Das Kinoerlebnis wird so zum Vernetzungsevent und Interessierte können sofort mit den entsprechenden Vereinen, NGOs und weiteren Akteuren in Kontakt kommen. Viel mehr als Profit interessiert mich die Frage: Wie können wir möglichst viele Menschen mobilisieren, selbst Teil einer besseren Welt zu werden? Dabei besteht der besondere pädagogische Ansatz von fechnerMEDIA darin, den Fokus nicht auf die Katastrophen und Krisen zu legen, sondern stattdessen wie ein Leuchtturm den Weg zu weisen raus aus dem zerstörerischen Status Quo. Etwa, indem wir aufzeigen, dass der Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien durchaus machbar wäre. Wir möchten keine Angst machen oder Resignation hervorrufen – ganz im Gegenteil: wir möchten Mut machen und die Menschen mit ihrem individuellen Handlungspotential in Berührung bringen. Ich habe für mich gemerkt: Nur wenn Menschen vorangehen, bewegen wir die Welt. Eben weil uns die Funktion von Vormachern und Wandelgestaltern so präsent ist, lautet unser Firmenmotto auch „VorBilder für nachhaltiges Handeln“. Inzwischen verzeichnen wir über 50 internationale TV-Dokumentationen sowie drei der weltweit erfolgreichsten Kino-Dokumentarfilme: DIE 4. REVOLUTION, POWER TO CHANGE und CLIMATE WARRIORS, übersetzt in 30 Sprachen und mit über 15 Mio. Zuschauern weltweit sowie unzählige Image- und Informationsfilme für nachhaltige Unternehmen. Ein weiteres besonderes Kennzeichen ist unsere Verpflichtung, nach Green-Shooting-Richtlinien zu produzieren. Dazu gehört neben der 100%igen Nutzung von Erneuerbaren Energien im Unternehmen und im Home-Office des Teams auch die vegetarische bzw. vegane, saisonale sowie regionale Ernährung, der Verzicht auf Inlandsflüge, der Gebrauch energieeffizienter Technologien und vieles mehr. Auch die individuelle mentale Nachhaltigkeit wird bei uns großgeschrieben: Deswegen arbeitet jede und jeder von dem Ort, an dem sie oder er lebt und liebt.

Wenn wir jetzt jemanden neugierig auf die nachhaltige Filmbranche gemacht haben – gibt es zurzeit offene Stellen?

Tatsächlich haben wir derzeitig zwei offene Stellen: Ein Redaktionsvolontariat für den Bereich Kino, Fernsehen und Imagefilm sowie eine Producer*innenstelle. Die Stellenausschreibung zur Producingstelle wird Anfang 2022 auf unserer Website zu finden sein. Darüber hinaus sind wir grundsätzlich immer offen für Initiativbewerbungen! Die meisten unserer MitarbeiterInnen sind über ein Volontariat Teil des Unternehmen geworden. Wer also Interesse an unserer Arbeit hat, der ist herzlich dazu eingeladen, sich um ein Volontariat bewerben. Dabei geht es einerseits darum, vertiefte Kenntnisse und Fähigkeiten in einen bestimmten Bereich des Filmemachens zu erwerben, etwa Öffentlichkeitsarbeit/Social Media, Recherche, Producing oder Schnitt. Gleichzeitig erlebt man im Volontariat jedoch auch, wie sehr alle Bereiche miteinander zusammenhängen. Da unser Team aus weniger als 10 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht, kann man auch mal in einen anderen Bereich reinschnuppern. Für mehr Informationen über ein Volontariat bei uns können Interessierte sich gerne an Gabriele di Stefano wenden: gabi.distefano@fechnermedia.de.

Was sollten potenzielle Jobanwärter*innen mitbringen?

Neben ersten Erfahrungen im entsprechenden Bereich stehen für mich vor allem die Motivation und Persönlichkeit der Bewerberinnenn und Bewerber im Vordergrund. Das heißt konkret: Es ist wichtig, dass unsere Themen, also Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit, auch für den Kandidaten eine Rolle spielen. Das heißt nicht, dass man zwangsläufig Mitglied bei einer Initiative o.Ä. sein muss, aber die Identifizierung mit unseren gesellschaftlichen Zielen ist schon ein zentrales Kriterium. Und was die Persönlichkeit angeht, ist eine gesunde Mischung aus Determiniertheit, Flexibilität und Kreativität entscheidend. Da unser Team aktuell aus fünf verschiedenen Städten in Deutschland sowie im EU-Ausland zusammenarbeitet, müssen potentielle MitarbeiterInnen zudem ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Initiative mitbringen. Nur so kann Remote-Teamwork funktionieren!

Aktuell sind Sie in Deutschland, gemeinsam mit Kinostar, der Herausgeber des Films Wonders of the Sea. Wovon handelt der Film? 

Wonders Of The Sea handelt von der faszinierenden Unterwasserwelt und seinen schillernden Bewohnern. Angefangen bei den Fidschis, der Küste Mexikos und dem Mittelmeer bis hin zu den Bahamas zeigen Arnold Schwarzenegger und Meeresfilm-Pionier Jean-Michel Cousteau die Vielfalt der Flora und Fauna der Weltmeere in atemberaubenden 3D-Aufnahmen. Gleichzeitig hat der Film auch eine klare Botschaft: Das Ökosystem Meer ist durch den Klimawandel und die Umweltverschmutzung akut bedroht. Wir müssen diesen Lebensraum besser schützen, weil das ökologische Gleichgewicht der Ozeane nicht nur für die Meeresbewohner, sondern auch für uns Menschen überlebenswichtig ist.

Wer sollte den Film gesehen haben?

Jeder, dem die Unterwasserwelt und ihre Bewohner am Herzen liegen! Jung und Alt geraten gleichermaßen ins Staunen. Kindern bietet dieser Film einen ersten Berührungspunkt mit der verzaubernden Unterwasserwelt, während Erwachsene viel Neues erfahren über die Zusammenhänge zwischen dem Ökosystem Ozean, dem Klimawandel und den Auswirkungen auf uns Landbewohner. Das ist eine besondere Stärke des Films: Er ist perfekt für den Familienfilmabend, kann aber z.B. auch gut in der Schule behandelt werden. Für die Auseinandersetzung im Unterricht haben wir gemeinsam mit einer Schulpädagogin hochwertiges Schulmaterial erstellt. Und selbst, wer sich bisher noch nicht so viel mit unseren Ozeanen beschäftigt hat, wird nachdem er diesen Film gesehen hat, eine neue Verbundenheit mit dieser mystischen Welt spüren.

Wie unterscheidet sich Wonders of the Sea von der Dokumentation Seaspiracy? 

Seaspiracy war ja Anfang diesen Jahres ein Wahnsinnserfolg. Der Regisseur von Wonders Of The Sea, der berühmte Meerestaucher und -filmer Jean-Michel Cousteau, sagt in dieser Dokumentation den bemerkenswerten Satz „Man kann nur schützen, was man liebt.“ Dieser Satz bringt den Unterschied zwischen Seaspiracy und WONDERS OF THE SEA genau auf den Punkt: Während Seaspiracy einen starken Fokus auf die Bösewichte der Fischereibranche legt und den Zuschauern die Ohnmacht in ihrer Opferrolle geradezu auferlegt, sorgen die hochwertigen 3D-Aufnahmen in WONDERS OF THE SEA dafür, dass man als Zuschauer sofort in den Bann dieser magischen Unterwasserwelt gerissen wird. Während Seaspiracy also von Anfang an auf Alarmismus setzt und ein Gefühl von Wut und Zorn heraufbeschwört, setzt Cousteau in seinem Film auf die uns Menschen angeborene Naturverbundenheit und ermutigt uns im nächsten Schritt dazu, den fragilen Lebensraum Meer zu beschützen. Das sind zwei komplett unterschiedliche Ansätze. Ich sage nicht, dass die MacherInnen von Seaspiracy Unrecht haben – ich glaube nur, dass das größte Veränderungspotential nicht aus einem Gefühl des Zorns, sondern aus einem Gefühl der positiven Ermächtigung, der genuinen Verbundenheit hervorgeht.

Sind schon neue spannende Filmprojekte geplant?

Absolut! Aktuell fließen die gebündelten Kräfte des Teams in die Pre-Production unseres bisher größten Kinofilmprojekts THE STORY OF A NEW WORLD! Unser erstes doku-fiktionaler Werk, welches wir mit einer renommierten Produktionsfirma auf dem Gebiet der Fiktion an unserer Seite produzieren. Die Regie teile ich mir mit der 27-jährigen Nachwuchsregisseurin Johanna Jaurich. Der Film wirft die Fragen auf: Wie sähe eine Welt aus, in der Konzerne darum konkurrieren, wer am stärksten zum Gemeinwohl beiträgt? Wie verändert sich die Art, wie wir uns bewegen, wie wir wohnen, und ernähren, wenn der Schutz des Planeten und humanistische Werte an oberster Stelle stünden? In seiner einzigartigen Machart verbindet dieser Film konstruktiven Journalismus, eine mitreißende Spielfilm-Rahmenhandlung und real existierende Lösungen für die Klimakrise zu einer STORY OF A NEW WORLD – der wegweisenden Geschichte einer neuen Welt, die wir dringend brauchen. Der Film wird derzeit über Crowdfinancing finanziert – wie übrigens alle unsere Filme! Wer sich jetzt ein Ticket im Vorverkauf sichert, trägt nicht nur zur Finanzierung des Films bei, sondern schenkt gleichzeitig über die sogenannten Solidaritätstickets auch vier Menschen im globalen Süden den Eintritt zum Film. THE STORY OF A NEW WORLD wird außerdem von einer globalen Impactkampagne begleitet. Das heißt konkret: jede Vorstellung in 50 Ländern dieser Welt wird ergänzt durch ein Event, welches wir in enger Kooperation mit lokalen NGOs organisieren. Durch diese Events fällt es den ZuschauerInnen leichter, sich mit lokalen Wandelgestaltern zu vernetzen und herauszufinden, wo ihr individuelles Impactpotential liegt! Wir rechnen damit, dass dieser Film im September 2023 in den Kinos laufen wird – bis dahin kann man den Entstehungsprozess über unsere Social Media Kanäle (@storyofanewworld) verfolgen – mit vielen Einblicken hinter die Kulissen!

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Fechner!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Herrn Fechner stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Im Interview: Nachwuchsregisseurin Johanna Jaurich

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