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Jobsharing: Der neue Trend zum Teilen

Keine Sorge, du hast dich nicht verlesen. Wir meinen tatsächlich das Job- und nicht das Carsharing. Was das ist und welche Anwendung es besonders in Krisensituationen findet, erfährst du hier.

Keine Sorge, du hast dich nicht verlesen. Wir meinen tatsächlich das Job- und nicht das Carsharing. Was das ist und welche Anwendung es besonders in Krisensituationen findet, erfährst du hier.

10.11.2022 | Ein Beitrag von Laura Hofschlag und Constanze Julita | Bilder: Shutterstock

Ein Arbeitsplatz, zwei oder mehrere Arbeitnehmer*innen - für viele mag das zunächst wie eine Wunschvorstellung klingen, die von der neuen Generation entwickelt wurde und aus wieder neuen Trends entstanden ist. Alles, um in unserer modernen Arbeitswelt für mehr Flexibilität zu sorgen. Allerdings bleibt das nicht nur bei einem Wunsch. Da wir uns im Beruf oftmals einem riesigen Berg an Aufgaben stellen, der alleinigen Verantwortung entgegentreten und unzählige Arbeitsabläufe organisieren müssen, fühlen sich viele ihrer Flexibilität und Motivation beraubt. Ein Ausweg: Jobsharing, bei dem sich zwei oder mehrere Mitarbeiter*innen eine Vollzeitstelle teilen. 

Heutzutage wird dieses Modell bereits in Führungsetagen von großen Unternehmen, wie SAP, Daimler und Bosch, gelebt. Warum dann nicht auch durch alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg? Aufgrund der noch weitläufigen Unbekanntheit und fehlenden Umsetzung, gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, möchten wir in diesem Beitrag über die Formen sowie Möglichkeiten des innovativen Arbeitszeitmodells aufklären und darüber hinaus, wie das Teilen des Arbeitsplatzes die Mitarbeiter*innen in Krisensituationen unterstützen kann. 

Was bedeutet Jobsharing? 

Jobsharing ist ein Arbeitsmodell der agilen Organisationsentwicklung und steht sprichwörtlich dafür, sich einen Job zu teilen. Der Begriff ist im Deutschen unter Arbeitsplatzteilung bekannt. Zwei oder mehrere Arbeitnehmer*innen besetzen ein und dieselbe Vollzeitstelle. Sie teilen sich nicht nur ihren räumlichen Arbeitsplatz, die Aufgaben und Verantwortung, sondern auch das Vollzeitgehalt. Die genaue Aufteilung der Arbeitszeit obliegt in der Regel den Arbeitnehmer*innen.

Verschiedene Formen des Jobsharings

Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit gibt es heutzutage verschiedene Möglichkeiten, wie Jobsharing angewendet werden kann: 

Job-Splitting: Beim Job-Splitting wird der Vollzeitarbeitsplatz in mehrere Teile ‚aufgesplittet‘ und an verschiedene Mitarbeiter*innen vergeben. Alle Arbeitnehmer*innen erhalten einzelne Arbeitsverträge und leisten ähnliche Arbeit, jedoch zu unterschiedlichen Zeiten – sie sind also relativ unabhängig voneinander. Das Job-Splitting ist daher die einfachste und am weitesten verbreitete Form des Jobsharings.

Job-Pairing: Beim Job-Pairing ist die Zusammenarbeit der Arbeitnehmer*innen deutlich enger. Nach der Aufteilung der Vollzeitstelle arbeiten die Mitarbeiter*innen nicht unabhängig voneinander, sondern miteinander. Aufgaben und Projekte sowie wichtige Entscheidungen werden im Team getroffen. Das bedeutet: Am Ende tragen alle gemeinsam die Verantwortung.

Top-Sharing: Ebenso Führungspositionen lassen sich ‚sharen‘ und durch zwei vorgesetzte Personen belegen. Auch hier tragen beide die volle Verantwortung und wichtige Beschlüsse sollten immer gemeinsam abgestimmt werden. Aufgrund der damit einhergehender Personalverantwortung sind beim Teilen von Führungspositionen reibungslose Abläufe unabdinglich. 

Was wird für das Jobsharing benötigt? 

Sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind, sollte das Jobsharing problemlos funktionieren. Was sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiter*innen beachten müssen, zeigen wir euch hier:  

1. Offene Kommunikation

Eine Stelle, aber zwei oder mehrere Personen – ohne Kommunikation ist hier Chaos vorprogrammiert. Die Jobsharer*innen müssen sich täglich über die neusten Entwicklungen und Informationen austauschen: nur so können reibungslose Abläufe garantiert werden.

2. Organisation

Es ist ein großer organisatorischer Aufwand, die Aufgaben und Abläufe einer Position auf zwei oder mehrere Personen aufzuteilen. Theoretisch klingt die Aufteilung einfach, aber im Arbeitsalltag bedarf es ein hohes Maß an Organisation.

3. ‚Chemie‘

"Wenn zwischen zwei Menschen die Chemie nicht stimmt, sollte man das Experiment abbrechen“, sagte einst der Maler Helmut Glaßl. So ist es auch beim Jobsharing. Gibt es von Anfang an Unstimmigkeiten oder gegenseitige Vorbehalte, ist das ‚sharen‘ vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Denn offene Kommunikation setzt unter anderem voraus, dass man gegenseitige Kritik sowohl äußern als auch akzeptieren kann – ohne sich dabei vor den Kopf gestoßen zu fühlen. Außerdem sollten die Arbeitnehmer*innen ähnliche Werte, Ansichten und Pläne haben.


Eine offene Kommunikation und eine gute Organisation zwischen den Mitarbeiter*innen ist essenziell für das Jobsharing (Bild: Shutterstock). 

4. Vertrauen

Gegenseitiges Vertrauen ist unabdingbar und das Fundament des Jobsharing-Prinzips. Sowohl das Vertrauen ineinander als auch das Vertrauen in die Arbeit der anderen Person. In der Regel sind zudem alle Jobsharer*innen gleichermaßen für Fehler verantwortlich – auch wenn eventuell nur eine*r den Fehler begangen hat. Wenn man selbst nicht am Arbeitsplatz ist, sorgt ausreichendes Vertrauen dafür, dass man nicht die ganze Zeit denkt, es könnte etwas schiefgehen. 

5. Kompromissbereitschaft

Wenn sich zwei oder mehrere Menschen eine Vollzeitstelle teilen, prallen auch unterschiedliche Meinungen aufeinander – egal wie gut man sich versteht oder wie offen man kommuniziert. Bei einem Meinungskonflikt sind Sturheit und Besserwisserei nicht hilfreich. Es benötigt Kompromissbereitschaft und den Willen, gemeinsam die beste Lösung zu finden.

Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer*innen

Auf der Seite der Arbeitnehmer*innen sprechen die geteilten Arbeitszeiten für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf. Darüber hinaus können sich die Mitarbeiter*innen gegenseitig mit ihrem Know-how unterstützen und eine ständige sowie offene Kommunikation fördern, welche die allgemeine Zufriedenheit erhöht. Allerdings muss sich auch das Jobsharing Modell einigen Nachteilen stellen. Dazu gehören Konflikte zwischen den Mitarbeiter*innen, mangelnde Absprache und häufige Arbeitsübergaben. Zudem kann, falls vorgeschrieben, vom Unternehmen eine Vertretungspflicht erwartet werden. Das bedeutet, wenn ein*e Mitarbeiter*in krank ist, muss eine andere Person für sie einspringen.  

Vor- und Nachteile für Arbeitgeber*innen

Hinsichtlich der Arbeitgeber*innen ergeben sich eine Vielzahl von Vorteilen, wie, dass Arbeitnehmer*innen mehr Leistung erbringen können und eine erhöhte Motivation sowie Produktivität aufweisen. Des Weiteren ist das allgemeine Fachwissen durch die Zusammenarbeit größer und für das Unternehmen resultiert Jobsharing in einem modernen Image und einer guten Reputation. Sofern eine Vertretungspflicht vorgeschrieben ist, werden Ausfälle mithilfe anderer Arbeitnehmer*innen vermieden. Die Nachteile hingegen fallen auf dieser Seite gering aus. Lediglich der hohe Organisationsaufwand von Aufgaben und Abläufe sowie die Erfolgsabhängigkeit von der Kommunikationsfähigkeit und dem Zusammenspiel der Jobsharer*innen stellen ein potenzielles Risiko dar. 

Muss ich die andere Person vertreten? 

Die Pflicht einander zu vertreten besteht im Jobsharing nicht ohne Weiteres. Der Arbeitsvertrag kann zwar eine Verpflichtung vorsehen, aber nur für den Fall, dass dringende betriebliche Gründe vorliegen. Eine allgemeingültige Vertretungspflicht ist unwirksam, sofern der oder die Arbeitnehmer*in ihr nicht zugestimmt hat. Weitergehende Regelungen zur Pflicht der Vertretung können allerdings in einem Tarifvertrag vereinbart werden – auch zu “Lasten” der Arbeitnehmer*innen.

In welchen Branchen wird das Jobsharing angeboten? 

Eine von Robert Half in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass bis dato nur 15 % der Unternehmen in Deutschland das Jobsharing angeboten haben. In Europa waren es im Durchschnitt 25 % – Spitzenreiter im Jahr 2014 war Großbritannien: 48 % der Unternehmen ermöglichten Jobsharing. Da keine aktuellen Studien vorliegen, ist es schwierig, abzuschätzen, wie sich der Trend des Jobsharings entwickelt. Es gibt aber einige Branchen, in denen das Jobsharing bereits weit verbreitet ist. Dazu gehört die Medizin-, Pflege, IT- und Ingenieurbranche. In Arbeitsfeldern des*r Zahnärzt*in oder des*r Psychotherapeut*in schafft das Jobsharing neue Möglichkeiten, aufgrund von Zulassungsbeschwerden oder finanziellen Hürden, die die Arbeit sonst verwehren würden. Auch bietet das Jobsharing für Alteingesessene einen sanften Ausstieg und eine erleichterte Praxisübergabe.


Das Teilen des Jobs wird besonders in der Medizin-, Pflege-, IT- und Ingenieursbranche angewendet (Bild: Pexels). 

Durch Jobsharing besser für Krisen gewappnet

Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 von Martin Krzywdzinski (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und Svenja Christen (Beratungsunternehmen „The Jobsharing Hub“) hat untersucht, inwiefern sich die Coronapandemie auf die Arbeitssituation der Jobsharer*innen ausgewirkt hat. Dabei kamen sie zu folgenden Erkenntnissen:

Jobsharing hilft in schwierigen Entscheidungssituationen: Knapp 87 % der Befragten berichten, dass sie die neuen Anforderungen und Unsicherheiten gemeinsam als „viel leichter“ oder „eher leichter“ empfunden haben.

Jobsharer*innen fühlten sich in der Corona-Krise besser vorbereitet: 72 % der Teilnehmer*innen geben an, dass sie durch das Jobsharing ihre Fähigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Flexibilität sowie Arbeitsorganisation ausgebaut haben und somit besser für die Arbeitssituation im Lockdown gewappnet waren.

Die Arbeit im Tandem verbessert den Kontakt im Team: Ungefähr die Hälfte aller Befragten gibt an, dass sich die Kommunikation mit Kolleg*innen und Vorgesetzten erleichtert hat.

Jobsharing erweist sich als Stütze für das Familienleben: Fast alle der in der Studie befragten Führungskräfte haben Kinder. 64 % sagen, dass das Jobsharing ermöglicht, die Arbeitstage abzudecken und gleichzeitig mehr Zeit für die Betreuung der Kinder zu haben.

Laut Svenja Christen liege der Mehrwert des Jobsharings nicht nur in der Flexibilität und Verbesserung der Work-Life-Balance, sondern auch in der Standhaftigkeit und Arbeitsqualität bei Unsicherheiten sowie Krisen. Kritisch merkt sie jedoch an: „Viele Unternehmen sehen Jobsharing als Frauen-Modell, eine prima Lösung, wie Frauen Haushalt, Kinderbetreuung und Karriere endlich miteinander verbinden können“. Zurzeit seien 96 % der Jobsharer*innen weiblich. „Für mich spiegelt die Zahl viel Mut und Ehrgeiz der Frauen wider, aber vor allem auch eine bestehende Geschlechterungerechtigkeit. Dem gilt es aktiv entgegenzuwirken“, fährt Svenja Christen fort.

Eine gute Alternative

Jobsharing kann neben anderen Modellen, wie dem Homeoffice, eine weitere Alternative für eine ausgeglichene Work-Life-Balance sein sowie die Möglichkeit eröffnen, verschiedene Soft Skills weiterzuentwickeln. Dabei sind die Vorteile sowohl für Arbeitnehmer*innen als auch für Unternehmen vielfältig und der Ausbau dieses Modells sollte aktiv gefördert werden. Zudem ist es wichtig, dass das Jobsharing nicht nur als Option für Frauen mit Kindern angesehen wird. Ebenso alle anderen Arbeitnehmenden sollten gegenüber dem agilen Arbeitsmodell offen sein. 

Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 09.11.2022 und erstveröffentlicht am 28.07.2021. 

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Kommentare
Franziska
08.09.2022
Sehr guter Beitrag zum Thema Jobsharing. Ein toller Ansatz für meinen Job in Ahlen. Werde ich direkt meinem Arbeitgeber vorstellen. Danke!

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