Die deutsche Gesellschaft gilt als Leistungs- und Erfolgsgesellschaft. Durch erbrachte Leistung gelangt man zielgerecht zum Erfolg – aber bitte fehlerfrei. Besonders auf der Arbeit ist kein Platz für Fehler. In der deutschen Mentalität sind diese vermeintliche Zeichen des Scheiterns, der eigenen Unzulänglichkeit, und sollten deswegen unbedingt vermieden werden.
Doch frei nach dem Motto: „Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen” – Dietrich Bonhoeffer, spielt gerade eine offene und positive Fehlerkultur eine wichtige Rolle. Was Unternehmen im Ausland längst verstanden haben, wird schrittweise in der Philosophie deutscher Unternehmen verankert: Fehler sind wichtig. Welche Merkmale eine offene Fehlerkultur ausmachen und wie die aktuelle Lage in Deutschland ist, erfährst du in diesem Beitrag.
Was ist eine Fehlerkultur?
Wir starten mit einer Definition der Fehlerkultur. Diese setzt voraus, dass Fehler passieren. Damit einer geht außerdem das Bekennen dieser. Im Fokus der Fehlerkultur steht die Reaktion auf Fehler. Sprich: Wie wird mit diesen umgegangen und welche Folgen ziehen sie mit sich? Es ist wichtig, dass Unternehmen einen richtigen Weg im Umgang mit Fehlern finden.
Unterschied Fehlerkultur und Fehlermanagement
Im Gegensatz zur Fehlerkultur ist das Fehlermanagement auf folgende Punkte ausgelegt:
Entdecken des Fehlers
Analyse und Diagnose
Fehlerkorrektur
Der Fokus liegt auf der Prävention von Fehlern. Daher lässt sich das Fehlermanagement eher mit einer Fehlervermeidungskultur gleichsetzen.
Was sind Fehler?
Abhängig vom Beruf, der Sozialisierung, charakterlichen Veranlagungen oder persönlichen Prägungen, interpretieren wir Fehler unterschiedlich. Geschieht ein Fehler, spüren die meisten von uns Angst, Scham oder Stress. Diese Emotionen lösen Unsicherheit und fehlendes Selbstvertrauen aus. Doch Fehler liegen in der Natur des Lebens und sind somit auch für uns Menschen ein fester Bestandteil.
Aktuelle Fehlerkultur in deutschen Unternehmen
Prof. Michael Frese von der Leuphana Universität Lüneburg hat in seiner Studie die Fehlerkultur in 61 Ländern verglichen. Deutschland landet auf dem 60. Platz. Das zeigt: In vielen Unternehmen herrscht hierzulande noch eine sehr niedrige Toleranz für Fehler. Mitarbeiter*innen, die Fehler begehen, hüllen sich in einen Mantel des Schweigens. Auf der Arbeit ist für Fehler kein Platz. Es erwartet sie Kritik, eine Ermahnung vom Vorgesetzten oder im schlimmsten Fall die Kündigung. All das zieht eine starke Angst vor Fehlern mit sich. Passiert ein Fehler, geht es nicht mehr um den Fehler an sich, sondern um den Beweis, dass man nicht die schuldige Person ist. Eine schlechte Fehlerkultur hat jedoch Folgen:
Deckung der Fehler von anderen
Vertuschung entstandener Fehler
Unsicherheit und Angst der Mitarbeiter*innen vor neuen Aufgaben
Demotivation der Arbeitnehmenden
Defensive Entscheidungskraft von Arbeitgeber*innen
Defensive Entscheidungen werden nicht im Sinne der Organisation getroffen, sondern so, dass sie möglichen Schaden von der Führungskraft abwenden. Es wird nicht die beste Lösung gesucht, sondern die Lösung, die Stress vermeidet.
Offenheit ist die Devise, um langfristig und konstruktiv mit Fehler erfolgreich umzugehen (Bild: Unsplash).
Offene Fehlerkultur
Eine offene Fehlerkultur setzt voraus, dass Fehler und Probleme nicht verheimlicht werden. Gemeinsam sollte offen und transparent über Fehler gesprochen werden. Das benötigt Vertrauen zwischen Arbeitnehmer*innen und Führungskräften. Wichtig ist, dass eine offene Kommunikation nach oben und unten möglich ist – auch Arbeitgeber*innen müssen Fehler vor ihren Mitarbeiter*innen transparent machen und ansprechen.
Positive Fehlerkultur
Im besten Fall entwickelt sich aus einer offenen Fehlerkultur eine positive Fehlerkultur. Hier werden Fehler nicht ignoriert und ebenso wenig lädt eine positive Fehlerkultur dazu ein, die Sorgfältigkeit schleifen zu lassen. Vielmehr werden Fehler als Chance zum Lernen gesehen. Daher braucht es den richtigen Umgang mit ihnen.
Keinen Schuldigen suchen
Es geht primär um den Fehler und nicht um die verantwortliche Person. Es sollte erkannt werden, dass nicht der Mensch das Problem ist, sondern der Fehler. Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, bringt niemandem was.
Keine Drohungen und Konsequenzen
Drohungen und Konsequenzen sind unangebracht und setzen die Mitarbeiter*innen nur noch stärker unter Druck und Stress.
Analyse der Situation
Fehler sind emotional behaftet und werden mit persönlicher Unzulänglichkeit verbunden. Es ist daher wichtig, erst einmal auf der Sachebene Klarheit zu schaffen. Am besten konzentriert man sich auf folgende Fragen:
Wodurch ist der Fehler aufgetreten?
Was kann daraus gelernt werden?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass der Fehler erneut passiert?
Erkennen von Optionen
Nach einem Fehler sollten Unternehmen ihren Blick nach vorne richten – auch wenn ein Fehler ärgerlich ist. Fehler sind eine Erfahrung und vor allem eine Chance auf Verbesserung. Dadurch können Schwachstellen im Prozess entdeckt und neue Lösungsansätze geschaffen werden.
Eine positive Fehlerkultur, in der sensibel, vertrauensvoll und menschlich mit Fehlern umgegangen wird, stärkt die gute Zusammenarbeit und steigert die Produktivität. Im Unternehmen herrscht eine offene Arbeitsatmosphäre und die Bindung der Mitarbeiter*innen wird gestärkt. Die positive Fehlerkultur eines Unternehmens prägt auch das Bild nach außen und sichert langfristig die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit.
Eine positive Fehlerkultur bietet die Möglichkeit zur Verbesserung der Produktivität und Zusammenarbeit (Bild: Unsplash).
Wie gehe ich mit meinen Fehlern um?
So gut es geht, solltest du deinen Fehler analysieren und beschreiben, was und warum er passiert ist. Dabei musst du dich nicht rechtfertigen. Es geht darum, den Fehler sachlich zu betrachten und eventuell erste Lösungsansätze zu finden. Du solltest dabei niemals zu hart zu dir selbst sein – Fehler passieren. Es bedarf zwar an Selbstkritik, aber ebenso an Selbstakzeptanz.
Eine neue Chance
Eine positive Fehlerkultur wird hoffentlich in Zukunft auch in deutschen Unternehmen Fuß fassen. Wir alle sind Menschen und niemand ist so ganz fehlerfrei. Der richtige Umgang und eine gute Selbstreflexion führen dazu, dass Fehler als Chance gesehen werden und das Selbstvertrauen gestärkt wird.
Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 11.10.2022 und erstveröffentlicht am 18.03.2021.
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