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Inklusion von Anfang an

INTERVIEW | Inklupreneur kämpft dafür, dass bis Ende 2024 mindestens 60 Stellen für Menschen mit Behinderung auf dem Berliner Arbeitsmarkt geschaffen werden.

INTERVIEW | Inklupreneur kämpft dafür, dass bis Ende 2024 mindestens 60 Stellen für Menschen mit Behinderung auf dem Berliner Arbeitsmarkt geschaffen werden.

19.10.2021 | Ein Interview geführt von Laura Hofschlag | Bilder: Inklupreneur, Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de

Um die Inklusion voranzutreiben und gesellschaftliche Strukturen für Menschen mit Behinderung zu verändern, arbeitet das Pilotprojekt Inklupreneur Seite an Seite mit Unternehmen.

JOBVERDE: Wie seid ihr auf den Namen „Inklupreneur“ gekommen?

Marlene Fragge: Inklupreneur steht für Inklusion + Entrepreneurship und soll das auf den Punkt bringen, was wir versuchen umzusetzen: Inklusion schon von Anfang an in Unternehmen mitzudenken.

Was bedeutet Inklusion für euch?

Inklusion bedeutet für uns, dass Menschen mit Behinderung – wie alle anderen Menschen auch – ganz normal die Möglichkeit haben sollten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Leider ist das an vielen Stellen noch nicht gegeben. Ein großer Teil unserer Gesellschaft ist der Arbeitsmarkt. Obwohl Unternehmen ab einer Größe von 20 Mitarbeitenden gesetzlich dazu verpflichtet sind, mindestens fünf Prozent der Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzten, machen dies nicht alle und zahlen lieber die Ausgleichsabgabe. Das passiert nicht unbedingt aus Boshaftigkeit, sondern vor allem aus Unwissen, wie wir bisher in unserer Arbeit erfahren durften. Die meisten Unternehmen wissen selbst gar nicht, warum sie eigentlich keine Person mit Behinderung beschäftigen. Es gibt so eine Art „blinden Fleck“, den wir nun versuchen auszuleuchten. Dass an diesen Personenkreis häufig von Anfang an gar nicht gedacht wird, zeigt wie dringend sich die gesellschaftlichen Strukturen für Menschen mit Behinderung ändern müssen, damit diese sichtbarer werden. Wir hoffen mit unserem Projekt einen Teil dazu beitragen zu können.

Wie schätzt ihr die aktuelle Situation am inklusiven Arbeitsmarkt ein?

In einem Wort: Paradox! Statistisch betrachtet ist die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderung etwa doppelt so hoch. Allerdings ist hier nicht erfasst, wie viele außerhalb ihrer eigentlichen Profession arbeiten. Auf der anderen Seite sehen wir, dass unsere Inklupreneur-Unternehmen gar nicht so viele Bewerbungen auf ihre explizit als ‚inklusiv‘ ausgeschriebenen Stellen bekommen. Der Inklusionsaktivist Raul Krauthausen bezeichnet diesen Zustand als „schwarzes Loch“.

Teil des Problems: Oft geben Menschen mit Behinderung diese in ihrer Bewerbung gar nicht an – aus Angst vor Vorverurteilung im Sinne des „Unconscious Bias“ (=Schubladen-Denken). Diese Angst müssen die Unternehmen im Rahmen ihrer Kommunikation abbauen:  barrierefreie Webseiten bauen, Angaben zur Barrierefreiheit in der Jobausschreibung und an gleicher Stelle auch ein Hinweis, dass man Diversität als Wert innerhalb der Unternehmenskultur schätzt.

Wo setzt ihr an und was ist eure Lösung?

Wir wollen vor allem junge Unternehmen für unser Projekt gewinnen, damit Inklusion von Anfang an in die DNA des Unternehmens mit eingeflochten und mitgedacht werden kann. Aber auch größere Unternehmen kommen auf uns zu und wünschen sich Unterstützung mit dem Thema Inklusion in ihren Betrieben. Viele wissen nicht genau, wo sie anfangen sollen. Dabei helfen wir! Im StarterCamp der jeweiligen Kohorte erarbeiten die Unternehmen auf Basis unseres Inklupreneur Canvas ein Inklusionskonzept. Das nötige Wissen wird ihnen dabei von Fachexpert*innen aus der Szene vermittelt. Darauf folgt die Phase der Umsetzungsbegleitung, in denen wir die Unternehmen mit Personal Coachings und dem monatlichen Community-Meeting inklusive weiteren Akademie Impulsen von Expert*innen begleiten. Elementar für unser aller Fortschritt ist dabei auch der Erfahrungs- und Wissensaustausch innerhalb der Community. Ein wichtiger Baustein dafür sind auch unsere Mentor*innen im Projekt. Sie leben alle selbst mit unterschiedlichsten Schwerbehinderungen und stehen den Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite, um Berührungsängste zu nehmen und ehrliches Feedback zu geben.

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Im StarterCamp erarbeiten die Unternehmen ein erstes Inklusionskonzept. (Bild: Inklupreneur)

Wie funktioniert das Inklupreneur-Pledge?

Der Inklupreneur Pledge ist eine selbstverpflichtende Erklärung, die Unternehmen auf unserer Webseite ausfüllen können. Hier können sie sich selbst ein Ziel – in Form von geschaffener inklusiver Stellen im Unternehmen – setzen, das sie innerhalb unseres Projektzeitraums erreichen wollen. Der Pledge ist die Eintrittskarte für unser Programm sowie die intensive Betreuung und für die Unternehmen komplett kostenfrei!

Welches Ziel habt ihr euch gesetzt?

Mit dem Pilotprojekt in Berlin haben wir uns das Ziel gesetzt bis Ende 2024 mindestens 60, gern aber auch 120 Stellen für Menschen mit Behinderung auf dem Berliner Arbeitsmarkt zu schaffen. Gepledged wurden bisher 100 Stellen, womit wir bereits im Zielkorridor liegen, was uns sehr glücklich macht!

Was sind eure nächsten Schritte mit Inklupreneur?

Langfristiges Ziel ist es, Inklupreneur auch bundesweit umzusetzen. Dazu haben wir bereits eine Website eingerichtet, auf der auch Unternehmen aus anderen Bundesländern ihren Pledge abgeben können.

Sobald wir 10 Pledges aus einem Bundesland zusammen haben, werden wir dort aktiv auf die zuständigen Institutionen zugehen und so hoffentlich bald auch Unternehmen im Rest der Republik eine kostenlose Teilnahme an unserem Programm ermöglichen.

Auf welche Meilensteine könnt ihr schon jetzt zurückblicken?

Nach dem Start des Projektes im April 2021 konnten wir recht schnell 16 Unternehmen für die erste Kohorte gewinnen, die dann im Juli ihr StarterCamp absolviert haben. Mit dieser Gruppe arbeiten wir momentan intensiv zusammen und es gab tatsächlich auch schon zwei Einstellungen beim KarmaKollektiv! Auf unserer Job-Seite sind außerdem alle Jobs ausgeschrieben, die im Rahmen des Projekts entstanden sind und die ersten Vorstellungsgespräche laufen.

 

Vielen herzlichen Dank für das Interview, liebe Marlene!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Inklupreneur stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Mehr zum Thema findest du hier: Arbeiten mit Behinderung

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