JOBVERDE: Welche Rolle spielen die Themen Nachhaltigkeit und grüne Wirtschaft in Schleswig-Holstein?
CLAUS RUHE MADSEN: Nachhaltige Entwicklung ist für die Landesregierung und die Verwaltung in Schleswig-Holstein eine wesentliche Handlungsmaxime. Der Klimawandel ist eine der größten, wenn nicht sogar die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Deshalb sind die in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen formulierten 17 'Sustainable Development Goals' so wichtig.
Wir haben uns als Land verpflichtet, die Agenda 2030 konsequent umzusetzen und die Ziele zu erreichen. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe für die gesamte Landesregierung.
Zudem haben wir uns zum Ziel gesetzt, Klimaneutralität bereits bis 2040 zu erreichen. Dabei geht es dann beispielsweise um die Steigerung der Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien oder die Senkung des Verbrauchs. Aber wir müssen genauso die Infrastruktur zur Speicherung und Weiterleitung der erzeugten Energie mitdenken oder energetische Sanierungen und Einsparmaßnahmen. Auch die Sektorenkoppelung wird einen wichtigen Beitrag leisten.
Wie viele Arbeitsplätze gibt es aktuell in den EE in Schleswig-Holstein?
Das lässt sich nicht so exakt beziffern. Nur wenige Berufsgruppen beschäftigen sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien. Stattdessen gibt es aber viele Berufsgruppen, deren Tätigkeiten starke Berührungspunkte mit den EE haben, zum Beispiel in der Elektrotechnik, Sanitär- Heizungs- und Klimatechnik oder in der Gebäudetechnik. Wie groß der EE-Anteil auf den einzelnen Stellen ist, ist aber sehr unterschiedlich.
Nachhaltige Arbeitgeber aus den erneuerbaren Energien
Grüne Jobs in den erneuerbaren Energien
Auf welche Sparten teilen sich die Arbeitsplätze mit welcher Verteilung auf?
Auch das ist kaum genau aufzuschlüsseln. Allerdings gibt es Daten aus dem Jahr 2022 zur Nachfrage von Beschäftigen in bestimmten energiewenderelevanten Branchen. Hier sehen wir, dass es beispielweise im Bereich der Energietechnik in Schleswig-Holstein einen Gesamtbedarf von 17.300 Stellen gab, davon aber 11 Prozent nicht gedeckt werden konnten. Das sind rund 1.900 Stellen.
In der Elektrotechnik konnten neun Prozent von 13.800 Stellen nicht besetzt werden, in der Berufsgruppe Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik waren es sogar 12 Prozent von 10.200 Stellen. Wir gehen inzwischen davon aus, dass bis 2030 z.B. im Bereich der Gebäudetechnik 30 Prozent der Stellen nicht besetzt werden können. Das lässt sich auch aus den Ergebnissen einer aktuellen Studie ablesen.
Im letzten Jahrzehnt wurde noch vom Job-Wunder in den EE gesprochen. Sehen Sie ein solches in SH noch kommen?
Wenn damit gemeint ist, dass zahlreiche neue Stellen entstehen, müssen wir nicht auf besagtes Wunder warten. Früher sind junge Menschen in den Süden gegangen, um Autos zu bauen. Morgen werden sie in den Norden kommen, um in Firmen zu arbeiten, die die Klimawende vorantreiben. In den Erneuerbaren Energien gibt es schon jetzt viele lukrative Jobs und auch zukünftig wird das Stellenangebot wachsen (unter anderem durch den Ausbau der Windenergie, aber auch durch Ansiedlungen wie z.B. durch den Batteriehersteller Northvolt). In anderen Berufsfeldern werden nicht zwingend neue Stellen entstehen, aber die Tätigkeiten werden sich im Rahmen der ökologischen Transformation ändern und damit auch die Anforderungsprofile.
Inwieweit sind die Arbeitgeber in den EE in SH mit dem Fachkräftemangel konfrontiert?
Die Unternehmen suchen händeringend Personal, gerade in den handwerklichen Berufen. Die oben genannten Zahlen zu nicht besetzten Stellen ließen sich noch auf diverse andere Branchen erweitern, die zum Teil im Bereich EE tätig sind. Dieser Mangel an Fachkräften verbunden mit der zum Teil guten Auftragslage kann für erhebliche Wartezeiten bei den Verbrauchern führen.
Welche Anlaufstellen haben Kandidat*innen, wenn Sie einen grünen Job in SH finden möchten?
Von öffentlicher Seite gibt es mehrere Möglichkeiten: Wichtigste Anlaufstelle ist natürlich die Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Nord. Dort können Interessierte sich auch zu grünen Jobs beraten lassen.
Schülerinnen und Schüler können im Rahmen der beruflichen Orientierung Informationen über grüne Berufe erhalten.
Infos zu Karrierechancen und möglichen Ausbildungsberufen im echten Norden gibt es auf https://der-echte-norden.info/. Dort findet sich zudem eine Übersicht der relevantesten Ausbildungsportale sowie nähere Infos zur Zukunftsbranche „Erneuerbare Energien“ und noch einiges Spannendes mehr.
Darüber hinaus gibt es verschiedene regionale Angebote, beispielsweise in Neumünster die „Klimaberufe NMS“. Auch mehr und mehr private Anbieter spezialisieren sich auf Information und Vermittlung in einzelnen, klimarelevanten Branchen, wie z.B. Jobzukunft-Wind, PowerUs, u.ä.
Haben die Hochschulen in SH das Thema Nachhaltigkeit auch bereits auf dem Plan und bieten nachhaltige Studiengänge an?
Sicher! Das beschränkt sich dort nicht nur auf erneuerbare Energien, sondern zieht sich durch die gesamten Hochschulen und alle Studiengänge.
Spezialisierte Studiengänge gibt es in Kiel, Flensburg, Lübeck und an der FH Westküste. So zum Beispiel als Bachelorangebote Erneuerbare Offshore Energien, Energiewissenschaften und Regenerative Energien oder Nachhaltige Gebäudetechnik und Green Building Systems.
Als schwerpunktbezogene Masterstudiengänge existieren z.B. Wind Energy Engineering, Green Energy, Energie- und Umweltmanagement oder Angewandte Geowissenschaften und weitere. Hinzu kommen breit angelegte technische sowie wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Studienangebote.
Was wünschen Sie sich in SH für die Zukunft in Sachen Nachhaltigkeit?
Die Bewältigung der Klimawende ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Schleswig-Holstein hat in den letzten Jahren ein gutes Tempo vorgelegt. Jetzt müssen wir Ausdauer beweisen, um dieses Tempo beizubehalten und bestenfalls sogar zu steigern.
Dass wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen müssen, ist den meisten inzwischen deutlich ins Bewusstsein gerückt. Ich wünsche mir, dass damit auch ein größeres Interesse und Engagement einhergeht für die im Klimaschutz relevanten Berufe. Denn, wie in zahlreichen anderen Branchen auch: Ohne die notwendigen Fachkräfte werden wir die erforderlichen Maßnahmen in Schleswig-Holstein nicht stemmen können.
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