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Quiet Quitting – eine kurze Einordnung von Prof. Dr. Susanne Blazejewski

KURZINTERVIEW | Quiet Quitting klingt sehr modern und Gen-Z-mäßig? In der Wissenschaft ist das Phänomen allerdings bereits länger bekannt.

KURZINTERVIEW | Quiet Quitting klingt sehr modern und Gen-Z-mäßig? In der Wissenschaft ist das Phänomen allerdings bereits länger bekannt.

23.03.2023 | Ein Kurzinterview von Luisa Bremer und Hannah Chondros | Bild: mixetto, Getty Images Signature

Quiet Quitting, also den Einsatz im Job auf das Nötigste zu reduzieren, ist in der modernen Arbeitswelt inzwischen ein geläufiger Begriff. Die eigene Arbeitsphilosophie zu ändern und die mentale sowie physische Gesundheit in den Vordergrund zu stellen, wird von immer mehr Arbeitnehmer*innen unterstützt. Viele Unternehmen und Arbeitgeber werden jetzt mit diesem Trend und dessen Auswirkungen konfrontiert. Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass Mitarbeiter*innen zu Quiet Quittern werden? Dem Phänomen der Quiet Quitter muss entgegengewirkt haben, indem sich der*die Arbeitgeber*innen flexibel und offen gegenüber den Arbeitnehmer*innen zeigen.

Kurz und knapp klärt uns Prof. Dr. Susanne Blazejewski, Professorin am Lehrstuhl für Nachhaltige Organisations- und Arbeitsplatzgestaltung (NOA) der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, über die Hintergründe des Phänomens auf. Im Interview erfahren wir alles rund um die Entstehung und den Ursprung dieser doch nicht so neuen Bewegung und bekommen einen Einblick in die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt.

Weitere Informationen zu dem Phänomen Quiet Quitting, der Geschichte und eine wissenschaftliche Einordnung findest du in unserem Überblicksbeitrag: Quiet Quitting – warum nachhaltige Arbeitgeber besser aufgestellt sind!

JOBVERDE: Quiet Quitting ist derzeit medial ein viel diskutiertes Thema. Geprägt hat den Begriff der TikToker Zaid Zeppelin. Ist das Thema auch aus wissenschaftlicher Hinsicht existent und inwieweit wird dazu derzeit geforscht?

Prof. Dr. Susanne Blazejewski: Quiet Quitting ist als Phänomen nichts Neues, weder in der Forschung noch in der Praxis. Die Gallup-Studien zeigen ja seit Jahrzehnten, dass der Anteil nicht-engagierter Arbeitnehmender recht hoch ist bei ca. 15% (tatsächlich sind die Zahlen über die letzten 10 Jahren leicht rückläufig). Und andererseits auch nur ca. 17% über ihren Kernjob hinaus aktiv engagiert sind für die Organisation. Das bedeutet, dass auch die ca. 69% in der Mitte sich nicht mit ihrem vollen Potenzial in die Organisation einbringen. Auch sie sind nur gering gebunden an das Unternehmen und zumindest mittelfristig wechselbereit. Zu diesen Themen wird schon lange und immer sehr intensiv geforscht, unter unterschiedlichen Stichworten wie z.B. Organizational identification, organizational citizenship behavior, Mitarbeiter*innenbindung und –zufriedenheit, Commitment etc. pp. Das ist also ein Dauerbrenner und kein wirklich neues Thema für die Forschung. 

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Ursprung dieser Entwicklung im Arbeits-Mindset?

Ein Grund für die innere Kündigung ist häufig ein unbefriedigender Job und ein Arbeitsumfeld, das nicht wertschätzend ist. Mitarbeitende haben immer Bedürfnisse, die sie auch am Arbeitsplatz befriedigend möchten: 

  • Autonomie (sich als Gestaltende und wirksam erleben, nicht als Rädchen)
  • Entwicklung (etwas lernen, etwas wissen, sich als Mensch weiterentwickeln)
  • Beziehung (sich im Austausch/in einer Gemeinschaft mit anderen erleben)

Viele Mitarbeitende nehmen wahr, dass ihre Führungskräfte sie nur in ihrer Rolle und mit ihrer Leistung, nicht als Mensch sehen. Sie können nicht erkennen, wie sie durch ihre Beiträge wirksam werden und Sinnvolles schaffen am Arbeitsplatz und für die Gesellschaft. Sie sehen keine Möglichkeit, sich sinnvoll weiterzuentwickeln – weil sie in ihrer Rolle festgefahren sind oder keine hinreichenden Lernfähigkeiten ausbilden können oder weil das Unternehmen keine Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen kann.

Hinzu kommen momentan die Einschätzungen bei vielen Arbeitnehmenden, dass sie auch woanders einen Job bekommen können – das wird ja nicht zuletzt durch die Medien und auch die Arbeitgeber forciert, die einerseits den Fachkräftemangel betonen und andererseits lange Jahre auf die Flexibilität (oder gar Fluidität) von Arbeitnehmenden gesetzt haben. Wenn sich das Unternehmen nicht zu seinen Mitarbeitenden committed, warum sollten dann die Mitarbeitenden sich mit dem Unternehmen identifizieren?! So ist also davon auszugehen, dass das Commitment und damit auch die Loyalität und Identifikation mit dem Unternehmen von beiden Seiten schleichend erodiert – und keiner so recht damit glücklich ist. Obwohl ich hier nochmal beteuern muss, dass es keinen radikalen Anstieg dieses Phänomens gibt, sondern das nur unter einem neuen Label in der Öffentlichkeit diskutiert wird. 

Hinzu kommt ein dritter möglicher Grund: Die Wahrnehmung und der Stellenwert von Arbeit verändert sich in unserer Gesellschaft. Menschen wollen wieder mehr Leben und weniger (erwerbsmäßig) Arbeiten bzw. ihr Leben nicht in erster Linie auf das Arbeiten ausrichten. Dieser Trend hat auch zu tun mit den zunehmend unklaren Perspektiven junger Menschen (Klimawandel, Krisen) und damit einer abnehmenden Bereitschaft, das “gute Leben” auf die Rente zu verschieben, wie das in der Generation X lange noch der Fall war. Arbeit insgesamt, vor allem aber Karriere machen um den Preis sozialen und persönlichen Erlebens wird aus dieser Perspektive zunehmend unattraktiv. Die Generation Z sind ja auch jene Menschen, die bei ihren Eltern immer wieder gesehen haben, wie das Engagement im Arbeitsplatz zu Burnout, Überforderung und Überstunden geführt hat – warum sollten sie das nachahmen wollen?!  Diese Verschiebung von Werten/Einstellung zu (Erwerbs-)Arbeit muss man aber klar trennen von Quiet Quitting: wenn Menschen mehr Teilzeit arbeiten wollen und Freizeit- und soziale Aktivitäten stärker gewichten, heißt das nicht automatisch, dass sie in ihren Jobs weniger engagiert sind. Außerdem sollte man hier auch die Effekte der Lebensphase beachten: wir wissen noch nicht, wie die Generation Z ihre Bedürfnisse verändert, wenn sie älter wird.

Welche Auswirkungen kann Quiet Quitting für Arbeitgeber*innen haben?

Mal abgesehen davon, dass der Leistungsbeitrag des betroffenen Arbeitnehmenden sinkt bzw. unter seinen/ihren Potenzialen bleibt (und vor allem auch Tätigkeiten unterbleiben, die nicht angewiesen werden können bzw. nicht im Kernjob liegen, die aber für die Gesamtorganisation essentiell sind), wird auch die Atmosphäre im Team beeinträchtigt. Kolleg*innen werden möglicherweise ebenfalls ihre Bereitschaft, einen Beitrag in die Organisation zu leisten, überdenken, da sie ja im Vergleich mit den Quiet Quittern mehr leisten, mehr engagiert sind, für einen möglicherweise identischen Lohn. Auch auf der Beziehungsebene im Team kann sich Quiet Quitting auswirken: Wenn Kolleg*innen nicht mitziehen, sich nicht auch mal begeistern lassen von einem gemeinsamen Projekt, dann beeinträchtigt das die Stimmung und die Motivation im Team insgesamt. Quiet Quitter sind oft auch ein wichtiges Anzeichen für Probleme in der Unternehmenskultur: mangelnde Wahrnehmung und Wertschätzung, Arbeitsverdichtung auf Kosten der Beschäftigten und dazu eine fehlende Feedbackkultur führen leider nicht dazu, dass Arbeitnehmende ihre Stimme erheben, sondern eher dazu, dass sie sich langsam, aber sicher zurückziehen in ihrem Engagement, ihrer Leistung und irgendwann auch aus dem Job, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Insofern ist Quiet Quitting auch ein wichtiges Signal für Arbeitgeber*innen; meist stimmt dann grundsätzlich etwas nicht in der Organisationskultur.

Wie ein nachhaltiges Unternehmen Quiet Quitting erlebt und bewertet, berichtet uns die GLS-Bank im Interview: Quiet Quitting – ein kurzer Eindruck der GLS-Bank

Vielen Dank für das Interview, Prof. Dr. Blazejewski!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Prof. Dr. Blazejewski stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare – wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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