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Schattenseiten des Homeoffice: Wenn das Arbeiten daheim zur Belastung wird

Entspannung in der Theorie, Stress in der Praxis – Das Homeoffice hat nicht nur unsere Arbeitswelt verändert, sondern beeinflusst auch die Position von Frauen und Männern.

Entspannung in der Theorie, Stress in der Praxis – Das Homeoffice hat nicht nur unsere Arbeitswelt verändert, sondern beeinflusst auch die Position von Frauen und Männern.

Überarbeitet am 10.01.2023 - 01.12.2022 | Ein Beitrag von Constanze Julita | Bild: Shutterstock

Seit der Corona-Pandemie hat sich unsere Arbeitskultur grundlegend verändert und das digitale Arbeiten ist fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Virtuelle Meetings statt Dienstreisen und flächendeckendes Homeoffice anstelle von Präsenz – täglich passen wir uns den nicht mehr ganz so neuen Gegebenheiten der Arbeitswelt an. Während der Wechsel des Arbeitsortes in die eigenen vier Wände zunächst attraktiv erschien, birgt die Arbeit von zu Hause neue Belastungsfaktoren.

Vermischung von Privat- und Berufsleben, ständige Erreichbarkeit und fehlender Kontakt zu Kolleg*innen sind nur wenige der vielen Gründe, die den Stress im Homeoffice steigern. Hinzu kommt der Druck, gleichzeitig den familiären und beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Balanceakt wirkt sich besonders auf Frauen in Paarhaushalten nachteilig aus und erhöht deren Anzahl an Stunden, die für Sorgearbeit aufgewendet wird. Wie die aktuelle Situation aussieht, welchen Einfluss Homeoffice auf die Arbeitsteilung von Frauen und Männern hat und was das zukünftig bedeutet, erfährst du hier.

Die aktuelle Situation

Gerade das Homeoffice soll für weniger Ablenkung durch Kolleg*innen und für ein niedrigeres Stresslevel durch wegfallende Pendelei sorgen. Mit eigener Arbeitsplatzgestaltung on top. Das klingt doch erstmal nach einer Erleichterung für Berufstätige. Zumindest in der Theorie. Laut dem Bericht zum „Index Gute Arbeit“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds im Jahr 2021, gaben 32 % der Befragten an, dass ihre Arbeitsbelastung durch das Homeoffice zugenommen hat. Lediglich 15 % finden, dass sie sich durch die Arbeit von zu Hause weniger belastet fühlen. Das zeigt, nicht zwangsläufig führt das Arbeiten im Homeoffice zu einer Entlastung und somit weniger Stress. Immer mehr Menschen suchen jedoch gezielt nach Homeoffice Jobs.

Mit Blick auf Mitarbeiter*innen, die oft von zu Hause arbeiten und sich gleichzeitig um Kinder oder Angehörige kümmern, sieht die eigene Stressbelastung ähnlich aus. Im Rahmen einer Studie der Boston Consulting Group im Jahr 2021, bei der 20.000 Menschen in zwölf Ländern, davon 1.500 aus Deutschland, befragt wurden, hat sich herausgestellt, dass sich 40 % der Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren körperlich sowie geistig ausgelaugt fühlen. Bei den kinderlosen Arbeitnehmer*innen sind es ungefähr nur ein Drittel. Zwar mögen diese Werte nicht stark voneinander entfernt liegen, doch trotzdem zeigen sie eine Entwicklung dahingehend, dass die Versorgung von Kindern zu einer höheren Belastung im Homeoffice führt. Darüber hinaus gaben rund 30 % der Befragten an, dass die eigene Leistungsfähigkeit unter den Pflichten von Haushalt und Familie leidet.

Besonders alarmierend ist die Entwicklung von Stress im Homeoffice bei Frauen. Da diese sich ohnehin schon zeitlich stärker für Haushalt und Familie im Vergleich zu Männern engagieren, steigt die Doppelbelastung stärker an. Die Aufteilung zwischen den Geschlechtern wird noch ungleicher, wenn beide Teile im Homeoffice arbeiten. Das zeigt eine Expertise, die für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung im Jahr 2020 verfasst wurde. Im längerfristigen Schnitt leisten etwa zwei Drittel der Frauen und ein Drittel der Männer die Sorgearbeit im Haushalt. Sowohl Frauen als auch Männer weiten die Sorgearbeit aus, sobald sie beginnen im Homeoffice zu arbeiten. Dabei handelt es sich bei Frauen um etwa 1,7 Stunden mehr pro Woche und bei Männern lediglich 0,6 Stunden mehr. Die Zeit, die Frauen in Sorgearbeit investieren, steigt weiter an, wenn beide Partner von zu Hause aus arbeiten, und zwar durchschnittlich auf 2,6 Stunden. Dahingegen wurde bei Männern keine erhebliche Veränderung ermittelt. Diese Situation ist zwar, aufgrund geschlossener Kitas und Schulen, insbesondere während der Coronakrise aufgetreten. Allerdings besteht das Missverhältnis weiterhin und wird durch das digitale Arbeiten verstärkt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Belastung und der damit einhergehende Stress durch das Homeoffice größer geworden sind und vor allem für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Zerreißprobe wird.

Was sind die Gründe für mehr Stress im Homeoffice?  

Im Folgenden werden 7 Aspekte vorgestellt, die zu einer erhöhten Stressbelastung für Heimarbeiter*innen führen können. Dabei beziehen sich die statistischen Angaben innerhalb der unbezahlten Überstunden, der Erreichbarkeit, der Vermischung von Privatem und Beruflichem, den verkürzten Pausen sowie der Ausstattung des Arbeitsplatzes auf den Bericht des Deutschen Gewerkschaftsbunds. 

Unbezahlte Überstunden: 28 % der Heimarbeiter*innen machen oft unbezahlte Überstunden. Die Mitarbeitenden haben das Gefühl, mehr arbeiten zu müssen, da aufgrund der räumlichen Distanz nur die Ergebnisse der Aufgabe oder des Projekts gesehen werden.


Besonders Männer tendieren dazu im Homeoffice oftmals unbezahlte Überstunden zu machen (Bild: Shutterstock).

Erreichbarkeit: Führungskräfte verlangen von jedem dritten Beschäftigten, dass sie außerhalb der üblichen Arbeitszeiten erreichbar sind – auch am Handy. Diese „Always On“- Haltung tritt im Vergleich zu Mitarbeiter*innen, die im Büro arbeiten, doppelt so oft auf und wird häufig still akzeptiert.

Vermischung von Privat- und Berufsleben: Von den Befragten können 47 % in ihrer Freizeit häufig nicht richtig abschalten. Noch schnell die E-Mails nach dem Feierabend checken oder einen Anruf von der Führungskraft am Wochenende entgegennehmen – diese Aspekte gehen Hand in Hand mit der ständigen Erreichbarkeit und sind die Gründe, warum viele auch in ihrem Privatleben mit der Arbeit konfrontiert sind. Gleichzeitig ist es andersrum auch möglich: Das kranke Kind muss während der Arbeitszeit versorgt werden oder ein familiärer Notfall rutscht dazwischen.

Verkürzte Pausen: Obwohl im Homeoffice dieselben Arbeitszeitgesetze für Ruhezeiten gelten wie im Büro, gaben 46 % der Befragten an, die Pause zu verkürzen oder ganz ausfallen zu lassen. Aufgrund der fehlenden Kaffeepausen oder des gemeinsamen Mittagessens in der Kantine ist gerade im Homeoffice die Gefahr noch größer als sonst, ohne Pause durchzuarbeiten.

Ausstattung des Arbeitsplatzes: Lediglich 57 % der Befragten besitzen überhaupt ein separates Arbeitszimmer, wobei der Rest die täglichen Aufgaben im Schlaf-, Wohn- oder Esszimmer bewältigt. Gerade bei Haushalten, in denen beide Partner im Homeoffice arbeiten, ist oftmals eine Partei dazu gezwungen, in diese Räumlichkeiten auszuweichen. Ein nicht optimal eingerichteter Arbeitsplatz begünstigt die Stressbelastung im Homeoffice.

Fehlender Kontakt zu Kolleg*innen: Eine der größten Belastungen im Homeoffice ist mit 50 % der fehlende Kontakt zu Kolleg*innen. Das fand die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bei einer Studie, in der 1.000 Beschäftigte im Oktober 2021 befragt wurden, heraus.

Fehlende Arbeitsstruktur: Im Rahmen einer repräsentativen Studie der Tankstellenkette HEM, welche 2.700 Menschen zum Thema „Wie möchten die Deutschen zukünftig arbeiten?“ befragt hatte, wird deutlich, dass für jede*n vierte*n Mitarbeiter*in die Belastung im Homeoffice durch die fehlende Struktur im Arbeitsalltag steigt.

Welche Folgen ergeben sich daraus?  

Egal ob alleinstehend, in einem Paarhaushalt oder mit Kindern – die Gründe für eine zunehmende Arbeitsbelastung im Homeoffice und dem daraus resultierenden Stress sind vielfältig und können zunächst jede*n Mitarbeiter*in betreffen. Dabei wird deutlich, dass auch die Digitalisierung einen großen Effekt auf die Arbeitsverdichtung ausübt.

Aus der aktuellen Situation lässt sich ableiten, dass allerdings Frauen die neue freie Zeit stärker nutzen, um sich für den Haushalt sowie die Familie einzubringen und damit die Vermischung zwischen Privat- und Berufsleben verstärkt wird. Dahingegen tendieren Männer eher dazu, mehr Überstunden zu leisten. Hierdurch verändert sich der sogenannte Gender-Care-Share, welcher den Anteil an der gesamten Sorgearbeit darstellt, zum negativen für Frauen: In Haushalten, bei denen die Frau im Homeoffice arbeitet, lässt sich eine Erhöhung um 1,2 Prozentpunkte feststellen. Lediglich wenn der Mann allein von zu Hause arbeitet, reduziert sich der Gender-Care-Share für Frauen. Dennoch leisten absolut betrachtet Frauen immer noch mehr Sorgearbeit als Männer. Somit ist zu erkennen, dass durch beidseitiges Homeoffice eine zunehmende traditionellere Arbeitsverteilung auftreten kann.

An dieser Stelle ist es wichtig, dass sowohl betriebliche als auch staatliche Rahmenbedingungen verbessert werden und die Gleichberechtigung innerhalb der Familie betont wird. Da gerade Mitarbeiter*innen mit jungen Kindern oft auf mittlerer Führungsebene arbeiten und bedeutende Talente für Unternehmen darstellen, ist es wichtig, dass diese ausreichende Flexibilität erhalten. Zum einen, um familiären Verpflichtungen nachzukommen. Zum anderen, um keine Angst vor Karrierenachteilen haben zu müssen. Das Risiko, die geringen Fortschritte der Geschlechtervielfalt umzukehren, kann ansonsten erhöht werden.

Nicht nur gesellschaftliche Strukturen können durch das Homeoffice beeinflusst, sondern auch psychische sowie physische Voraussetzungen verschlechtert werden. Die Belastungsfaktoren und der damit einhergehende Stress können Symptome von Leistungsabfall über chronische Erschöpfung bis hin zu Herzproblemen auslösen. Hier zeigen wir dir, wie du verschiedene Tipps anwenden kannst, um Arbeitsstress abzubauen. Sollten deine gesundheitlichen Beschwerden trotzdem anhalten, empfehlen wir dir ärztlichen Rat einzuholen, um schlimme Folgen vorzubeugen.

Forderung gesetzlicher Regelung für mobile Arbeitszeiten

Die Studienergebnisse des Deutschen Gewerkschaftsbunds machen auf die hohe Arbeitsbelastung im Homeoffice aufmerksam. Aus diesem Grund fordert Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, dass mobile Arbeitszeiten zukünftig gesetzlich geregelt werden sollten. Zwar helfen betriebliche Regelungen zum mobilen Arbeiten das Ausmaß der unbezahlten Mehrarbeit und der ständigen Erreichbarkeit einzugrenzen, sollen aber mithilfe einer gesetzlichen Regelung flächendeckend abgeschafft werden. Somit können die Rechte und die Selbstbestimmung von Mitarbeiter*innen gestärkt werden.


Eine gesetzliche Regelung für mobile Arbeitszeiten könnte die Belastung im Homeoffice reduzieren (Bild: Shutterstock). 

Das Gesamtbild

Das Homeoffice mit seinen Schattenseiten schafft eine neue Belastungssituation, welche gerade seit Beginn der Corona-Pandemie zunehmend verstärkt wurde. Die zahlreichen Gründe, wie unbezahlte Überstunden, fehlender Kontakt zu Kolleg*innen und die Vermischung von Privat- und Berufsleben, tragen zu einer höheren Stressbelastung bei. Letzteres wirkt sich besonders auf eine negative Stressentwicklung von Frauen im Homeoffice aus. Deren Balanceakt zwischen familiären Verpflichtungen und beruflicher Verantwortung wird zu einer größeren Doppelbelastung. Zukünftig müssten sowohl betriebliche als auch staatliche Rahmenbedingungen verbessert werden, um die Gleichberechtigung innerhalb der Familie zu stärken. Die Einführung einer gesetzlichen Regelung für mobile Arbeitszeiten wäre dahingehend eine Hilfe, die Rechte und Selbstbestimmung von Mitarbeiter*innen flächendeckend auszubauen.

 

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