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Nachhaltigkeitsmanagement: Know-how ist in jeder Branche gefragt

INTERVIEW | „Angesichts der enormen Bedeutung von Nachhaltigkeit dürfte es eigentlich keine wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge ohne eine breite Abdeckung von Nachhaltigkeitsinhalten mehr geben“, Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger, Leiter des MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg.

INTERVIEW | „Angesichts der enormen Bedeutung von Nachhaltigkeit dürfte es eigentlich keine wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge ohne eine breite Abdeckung von Nachhaltigkeitsinhalten mehr geben“, Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger, Leiter des MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg.

30.05.2017 - das Interview führte Hanna Lohoff

JOBVERDE: Sie leiten den MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg. Wie bereitet der Studiengang die Studierenden auf den Berufsalltag im Bereich CSR und Nachhaltigkeitsmanagement vor?

Stefan Schaltegger: Mindestens fünffach: durch Fachwissen, Ãœbung von Umsetzung, Persönlichkeitsförderung (sog. Soft Skills), Methodenkompetenz und Vernetzung. Wichtig erscheint mir auch die Möglichkeit, das erlernte Wissen möglichst direkt zu üben und anzuwenden. Wir setzen daher stark auf Praxissimulationen und nutzen Projektbeispiele, Planspiele und Fallstudien und binden auch Dozierende aus der Praxis ein. Das eigentliche Geheimnis ist aber: Die Idee zu einer nachhaltigeren Welt beizutragen begeistert Menschen, die etwas bewegen möchten und nicht nur zynisch auf die Welt blicken. So hat sich mit dem MBA Sustainability Management eine Gemeinschaft an Leuten – man könnte auch sagen einer Familie – entwickelt, die nachhaltige Entwicklung tatsächlich voran bringen möchte. Es ist ein wertvolles Netzwerk gewachsen, das als eine tragende Säule des Studiengangs auch dann noch unterstützt, wenn das Studium bereits lange abgeschlossen ist.

CSR Manager sind häufig Betriebswissenschaftler oder Quereinsteiger. Aus welchen Bereichen kommen die Studierenden des MBA Sustainability Management?

Unser MBA-Studiengang wurde konzipiert, um Nachhaltigkeit in allen Management- und Funktionsbereichen von Unternehmen voranzubringen. Mittlerweile gibt es keine ernstzunehmende Branche mehr, die sich nicht mit Fragestellungen aus der Nachhaltigkeitsdebatte befassen würde. Auch innerhalb von Unternehmen sind vom Einkauf über die Produktion und den Vertrieb bis zu den Personal und IT-Abteilungen alle mit Nachhaltigkeitsfragen konfrontiert. Entsprechend vielfältig ist der fachliche Hintergrund unserer Studierenden. Einige haben in der Tat einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Die meisten verfügen jedoch über eine andere Erstausbildung. Insbesondere für Ingenieure oder Geisteswissenschaftler bietet der MBA eine Sprungplattform für Gründungen, in Führungspositionen zu gelangen oder gar die gläserne Decke bis ins Top-Management zu durchstoßen.

Im Gegensatz zu Masterstudiengängen und Weiterbildungsmöglichkeiten ist das Angebot an Bachelorstudiengängen im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und CSR derzeit noch nicht sehr ausgebaut. Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, Grundstudiengänge anzubieten, die einen Fokus auf CSR Management legen?

Angesichts der enormen Bedeutung von Nachhaltigkeit dürfte es eigentlich keine wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge ohne eine breite Abdeckung von Nachhaltigkeitsinhalten mehr geben. Dazu bedarf es vielfach noch eines Mentalitätswechsels derer, die das angestammte wirtschaftswissenschaftliche Selbstverständnis bedroht sehen. Will man sich dem interdisziplinären Thema fachlich öffnen oder eher unter sich bleiben? Will man sich weiterentwickeln oder geht es um Bewahrung der idealtypisch-abstrakten Modelle? An vielen Hochschulen bewegen sich engagierte Leute, aber es ist noch ein weiter Weg, bis nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmertum auch im Mainstream der Hochschulen und den Bachelor-Studiengängen ernsthaft ankommen wird.

Welche Bedeutung sprechen Sie dem CSR- und Nachhaltigkeitsmanagement zu? Was können Unternehmen damit erreichen?

Einerseits kann die Bedeutung von Nachhaltigkeitsmanagement für die zukünftige Geschäftsentwicklung nicht überschätzt werden. Egal, ob es um die Automobilbranche geht, die mit Carsharing und Elektromobilität herausgefordert ist oder um die Agrar- und Lebensmittelindustrie, die sich in der Schere zwischen zunehmenden Regulierungen zu Pestizideinsatz, Arbeitsbedingungen und Nahrungsmittelzusätzen auf der einen Seite sieht und steigenden Fair Trade- und Biomarktanteilen auf der anderen Seite – Nachhaltigkeit ist ein strategischer Wettbewerbsfaktor geworden, der gesamte Branchen herausfordert, sich neu zu erfinden. Unternehmerische Verantwortung – also das gleichwertige Mitdenken von sozialen und ökologischen Fragestellungen in der Ökonomie – setzt, wenn man das Konzept ernsthaft durchdenkt, immer bei Fragen aus dem Kerngeschäft eines Unternehmens an. Welche Produkte bietet man an, wie und womit erzielt man Gewinne, wie geht man mit Mitarbeitern, Zulieferern, Kunden und Partnern um?

Andererseits sind aufgrund des großen Einflusses als Einkäufer auf Lieferketten, als Gestalter von Produkten sowie als Designer von Produktion und Arbeitswelt Beiträge von Unternehmen notwendig, um nachhaltige Entwicklung zu realisieren. Dabei können Unternehmen sehr viel erreichen. Unternehmen haben auf alle uns aktuell begegnenden globalen Herausforderungen Einfluss, wie Klimawandel, Migration, Artensterben, Überfischung der Meere oder Energiewende. Unternehmen können in ihrem gesellschaftlichen, marktlichen und ökologischen Umfeld dazu beitragen, nachhaltige Entwicklung durch konkrete Projekte konstruktiv anzustoßen, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und im Idealfall sogar einen positiven Handabdruck zu erzeugen. Es zeigt sich immer wieder, dass Regierungen, NGOs und Medien alleine überfordert sind, nachhaltige Entwicklung merklich voran zu bringen. Es ist ein Zusammenwirken von Akteuren erforderlich und Unternehmen können dabei eine wesentliche Gestaltungsrolle einnehmen.

Viele Unternehmen sehen CSR-Abteilungen in erster Linie als Kostenfaktor. Was sagen Sie dazu?

Steinzeitdenken ist beharrlich – inzwischen sollte durch die vielen Gegenbeispiele klar sein, dass Unternehmenserfolg und Nachhaltigkeit keine Gegenspieler sind, wenn man gut arbeitet. Aber klar, wie bei jeder Entscheidung und Handlung (dies gilt auch für eine einfache Investitionsentscheidung!) kann man auch Nachhaltigkeit so schlecht ausgestalten, dass es primär kostet.
Da es grundsätzlich in beide Richtungen gehen kann, ist Know-how zu Nachhaltigkeitsmanagement gefragt. Es gilt durch Beiträge zur ausdrücklichen Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen einen erfolgreichen „Business Case for Sustainability“ zu schaffen, der einen erkennbaren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg, zur Existenzsicherung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeiten eines Unternehmens leistet. Ausgangslage ist das Erkennen der sozialen und ökologischen Probleme, das Identifizieren möglicher Lösungsansätze. Es gibt viele Hebel und Ansatzpunkte, wirtschaftliche Einflüsse auf den Unternehmenserfolg zu erkennen und zu managen – von Produktinnovationen, Lieferketten-, Risiko- und Reputationsmanagement bis zur Reduktion von Energie- und Materialkosten, Ansätzen zur Steigerung von Umsatz, Margen oder der Arbeitgeberattraktivität.

Können Sie ein paar Beispiele dafür geben, wo Ihre Absolventen anschließend tätig sind?

Mir fällt keine Branche ein, in der wir keine Studierenden oder Absolventinnen oder Absolventen hätten. Wir haben mittlerweile Alumni in fast allen Funktions- und Leitungsbereichen von multinationalen Konzernen, die aber z.B. auch in Ministerien aufgestiegen sind oder eigene Firmen gegründet haben. Eine große Gruppe arbeitet in mittelständischen Unternehmen unterschiedlicher Größe. Viele engagierte Unternehmen aus dem Handel, der Finanzbranche oder im Mobilitätssektor entwickeln mit Absolventinnen unseres Studiengangs ihre Nachhaltigkeitsstäbe oder spezifische Nachhaltigkeitsprojekte wie z.B. Nachhaltigkeit im Einkauf weiter. Einige Ehemalige sind inzwischen in der Wissenschaft zum Beispiel auf einer Professur oder in außeruniversitären Forschungseinrichtungen tätig. Und eine nicht unbeachtliche Anzahl sind Unternehmer oder Geschäftsführerinnen. Nachhaltigkeit hat inzwischen jede Branche, jeden Geschäftsbereich und jede Leitungsebene erfasst und damit spielt Nachhaltigkeitsmanagement überall eine Rolle.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen vor denen Unternehmen im CSR Management aktuell stehen?

Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein anerkanntes Managementthema in der gesamten Wirtschaft, das nicht nur von einigen Pionieren geprägt sondern auch von führenden Massenmarktanbietern aktiv voran gebracht wird. Aber, ist man ehrlich: Für einige Unternehmen scheint mit der Einrichtung einer CSR-Abteilung oder der Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts die Sache abgehakt zu sein. Das ist in meinen Augen ein Trugschluss. Mit der Einsicht von der Endlichkeit des Planeten und die damit verbundenen Herausforderungen, die immer offensichtlicher werden und nach neuen Ideen und Lösungen schreien, reicht ein formalisiertes Abarbeiten von Umwelt- und Sozialstandards nicht mehr aus. Themen wie Produktlebenszyklen, zukunftsfähige Arbeits- und Lebensgestaltung oder Kreislauflösungen sind nicht mehr nur für Fachleute relevant. Man interessiert sich für die Arbeitsbedingungen, die Lieferketten oder die Umweltwirkungen. Kunden fordern zunehmend lautstark das „Greening“ der Produkte und der Unternehmen. Und es gilt weiter: Dafür müssen und können unternehmerische Antworten in einer zukunftsfähigen Gestaltung des Kerngeschäfts gefunden werden.

Müssten viel mehr CSR-Manager und Nachhaltigkeitsbeauftragte in deutschen Unternehmen Veränderungsprozesse anstoßen?

Milliardenschwere Skandale wie die explodierte BP-Ölplattform im Golf von Mexiko oder Dieselgate zeigen doch auch in der letzten Zeit: Müssten sich nicht alle Akteure in einem Unternehmen auch als Nachhaltigkeitsbeauftragte verstehen? CSR-Abteilungen spielen als Fachabteilungen eine essentielle Rolle, aber man kann Nachhaltigkeit nicht ausschließlich an sie delegieren. Schließlich sollen sich ja auch alle an Gesetze halten und nicht nur die Rechtsabteilung. Um wettbewerbs- und zukunftsfähig zu sein und um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, müssen alle Leitungsebenen und Abteilungen Nachhaltigkeitskompetenz aufbauen und alle aktiv an Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme arbeiten. Deshalb ist Know-how zum Nachhaltigkeitsmanagement in jeder Geschäftseinheit des Unternehmens erforderlich.



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